Nüchternes Laufen, also das Laufen ohne vorherige Nahrungsaufnahme, ist eine Trainingsmethode, die von vielen Sportlern und Fitness-Enthusiasten praktiziert wird.
In einigen Diskussionen zu diesem Thema ist uns aufgefallen, dass diese Trainingsmethode womöglich für Frauen weniger vorteilhaft sein kann als für Männer. Doch trifft das tatsächlich zu?
HDsports hat in diesem Artikel nicht nur die Vor- und Nachteile des nüchternen Laufens beleuchtet, sondern auch die Unterschiede zwischen Frauen und Männern untersucht. Anschließend geben wir einige Empfehlungen für geeignete Trainingseinheiten.
Allgemeine Vorteile und Nachteile des nüchternen Laufens
Vorteile des nüchternen Laufens
Nüchternes Laufen wird häufig aus verschiedenen Gründen praktiziert und hat einige potenzielle Vorteile:
1. Fettverbrennung
Ein Hauptgrund, warum viele Sportler nüchtern laufen, ist die gesteigerte Fettverbrennung. Da die Glykogenspeicher nach einer Nacht des Fastens weitgehend leer sind, greift der Körper schneller auf Fettreserven zurück, um Energie zu gewinnen. Studien zeigen, dass das Training im nüchternen Zustand den Fettstoffwechsel effizienter macht. Vor allem für Marathonläufer und Ultraläufer ist diese Trainingsmethode demnach sehr interessant.
2. Verbesserung der metabolischen Flexibilität
Nüchternes Laufen kann die metabolische Flexibilität verbessern, also die Fähigkeit des Körpers, zwischen verschiedenen Energiequellen (Fett und Kohlenhydrate) zu wechseln. Dies ist besonders für Ausdauersportler von Vorteil, da es ihnen hilft, während langer Wettkämpfe Energie effizienter zu nutzen. Also auch das ist ein Vorteil, von dem Langstreckenläufer profitieren.
3. Zeitersparnis
Für viele Läufer ist das nüchterne Laufen auch eine praktische Lösung, um Zeit zu sparen. Es erfordert keine zusätzliche Planung für Mahlzeiten vor dem Training und kann direkt nach dem Aufstehen durchgeführt werden.
Nachteile des nüchternen Laufens
Trotz der genannten Vorteile gibt es auch einige Nachteile und Risiken, die mit dem nüchternen Laufen verbunden sind:
1. Reduzierte Leistungsfähigkeit
Da die Glykogenspeicher nach dem nächtlichen Fasten leer sind, kann die Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. Dies bedeutet, dass intensive Trainingseinheiten schwerer fallen und die maximale Leistung nicht erreicht wird. Harte Tempoeinheiten sollten aber ohnehin nicht nüchtern durchgeführt werden.
2. Erhöhte Müdigkeit und Schwäche
Laufen ohne vorherige Nahrungsaufnahme kann zu erhöhter Müdigkeit und Schwäche führen. Der Körper hat weniger Energie zur Verfügung, was zu einem Gefühl der Erschöpfung führen kann. Dies ist besonders problematisch bei längeren oder intensiven Läufen. Demnach gilt: Wer bisher noch wenig Erfahrung mit nüchternen Läufen hat, sollte zunächst nur kurze Strecken in diesem Zustand laufen und den Trainingsumfang nur langsam steigern.
3. Risiko von Muskelabbau
Wenn die Glykogenspeicher leer sind, kann der Körper beginnen, Muskelprotein zur Energiegewinnung zu nutzen. Dies kann langfristig zu Muskelabbau führen, insbesondere wenn nüchternes Laufen regelmäßig praktiziert wird, ohne ausreichende Nährstoffzufuhr nach dem Training.
Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim nüchternen Laufen
Hormonelle Unterschiede
Ein wichtiger Faktor, der Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim nüchternen Laufen erklärt, sind hormonelle Unterschiede. Frauen haben einen höheren Anteil an Östrogen, das den Fettstoffwechsel fördert und den Glykogenabbau verlangsamt. Dadurch können Frauen möglicherweise besser mit den Anforderungen des nüchternen Laufens umgehen und effizienter Fett als Energiequelle nutzen. Das heißt, wenn wir nur diesen Punkt betrachten, sind Frauen sogar besser für nüchterne Sporteinheiten geeignet.
Unterschiede im Energiebedarf
Frauen haben tendenziell einen geringeren Energiebedarf und eine niedrigere Muskelmasse als Männer. Dies kann dazu führen, dass sie weniger anfällig für die negativen Effekte des nüchternen Laufens sind, wie z.B. den Muskelabbau. Gleichzeitig müssen Frauen jedoch darauf achten, ausreichend Nährstoffe zu sich zu nehmen, um ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten. Also auch in diesem Punkt sind sogar Frauen gegenüber Männern eher im Vorteil.
Menstruationszyklus
Der Menstruationszyklus beeinflusst den Stoffwechsel und die Energiebereitstellung bei Frauen. In der lutealen Phase (nach dem Eisprung bis zur Menstruation) kann der Körper tendenziell mehr Fett als Energiequelle nutzen. Dies könnte das nüchterne Laufen in dieser Phase weniger belastend machen. Dennoch sollten Frauen auf ihren Körper hören und die Intensität des Trainings entsprechend anpassen.
Unterschiede in der Wahrnehmung von Belastung
Studien haben gezeigt, dass Frauen im Allgemeinen eine höhere Schmerztoleranz und eine andere Wahrnehmung von Belastung haben als Männer. Dies könnte dazu führen, dass Frauen das nüchterne Laufen als weniger unangenehm empfinden. Es ist jedoch wichtig, dass sie auf Anzeichen von Übertraining oder Erschöpfung achten und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Zusammengefasst sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass Frauen bei dieser Trainingsmethode gegenüber Männern keinesfalls im Nachteil sind, sondern für diese Trainingsmethode sogar etwas besser geeignet sind. Einzig der Menstruationszyklus könnte zumindest phasenweise das Laufen auf leeren Magen erschweren oder verhindern.
Empfohlene und nicht empfohlene Trainingseinheiten für nüchternes Laufen
Empfohlene Trainingseinheiten
Nicht alle Trainingseinheiten sind für das nüchterne Laufen geeignet. Anbei einige Aktivitäten, die in der Regel gut funktionieren:
1. Leichte Ausdauerläufe
Kurze, leichte Ausdauerläufe sind ideal für das nüchterne Training. Diese Läufe dauern normalerweise 30 - 60 Minuten und haben eine niedrige Intensität. Sie helfen, den Fettstoffwechsel zu fördern, ohne den Körper übermäßig zu belasten.
2. Erholungsläufe
Erholungsläufe sind ebenfalls gut geeignet. Sie dienen der Regeneration und haben eine sehr geringe Intensität. Da sie keine hohen Energieanforderungen haben, können sie problemlos nüchtern durchgeführt werden. Regenerative Läufe werden im Pulsbereich von etwa 55 - 65 % der maximalen Herzfrequenz absolviert. Diese Einheiten haben allerdings keinen direkten Trainingsnutzen, da die Intensität zu niedrig ist.
3. Lockere Langläufe
Lockere Grundlagenläufe von bis zu 90 Minuten können ebenfalls nüchtern durchgeführt werden, solange die Intensität niedrig bleibt. Hierbei ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und bei Anzeichen von Erschöpfung oder Schwäche abzubrechen. Bei einem Tempo im Grundlagenbereich 1 (GA1) laufen wir in einer Intensität von 70 bis 80 % der maximalen Herzfrequenz.
Nicht empfohlene Trainingseinheiten
Einige Trainingseinheiten sind nicht für das nüchterne Laufen geeignet, da sie hohe Energieanforderungen haben und das Risiko von Erschöpfung und Verletzungen erhöhen:
1. Intensive Intervalltrainings
Intensive Intervalltrainings erfordern hohe Energie- und Glykogenspeicher, um maximale Leistung zu erbringen. Nüchternes Laufen kann hier zu einer schnellen Erschöpfung führen und die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen.
2. Wettkämpfe und Rennen
Bei Wettkämpfen und Rennen ist eine optimale Energieversorgung entscheidend. Nüchternes Laufen kann hier zu einem erheblichen Leistungsabfall führen und die Wettkampfziele gefährden. Zu Wettkämpfen sollten wir definitiv nicht in nüchternem Zustand antreten.
3. Lange, intensive Läufe
Lange, intensive Läufe erfordern eine kontinuierliche Energiezufuhr. Ohne ausreichende Glykogenspeicher kann der Körper schnell erschöpft sein, was das Risiko von Übertraining und Verletzungen erhöht.
Zusammenfassung
Nüchternes Laufen bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile und kann je nach individueller Situation unterschiedlich wirken. Frauen und Männer unterscheiden sich in ihrer Reaktion auf das nüchterne Training aufgrund hormoneller Unterschiede und unterschiedlicher Energiebedarfe. Während leichte Ausdauerläufe und Erholungsläufe gut für das nüchterne Laufen geeignet sind, sollten intensive Intervalltrainings, Wettkämpfe und lange, intensive Läufe vermieden werden. Letztendlich ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und das Training entsprechend anzupassen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Wissenschaftliche Quellen
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