Der Schweizer Julien Wanders sorgte Ende des Jahres 2018 für zwei herausragende Leistungen.
Im Dezember 2018 stellte er mit 27:25 Minuten über die 10 Kilometer einen neuen Europarekord auf. Im Februar 2019 gelang ihm selbiges über die Halbmarathondistanz, als er mit 59:13 Minuten deutlich unter der bisherigen europäischen Bestmarke von Mo Farah blieb (59:32 Minuten).
Nur wenige Tage nach dem Halbmarathon lief Julien Wanders über die fünf Kilometer mit 13:29 sogar einen inoffiziellen Weltrekord. Der junge Schweizer verriet gegenüber Sweatelite eine Auszug aus seinem Trainingsprogramm.
Das Lauftraining von Wanders überrascht dabei an einigen Punkten. So hält der Schweizer überhaupt nichts von Tapering und gibt den entscheidenden Hinweis, den ein großer Teil der Hobby- und Amateurläufer im Training falsch machen.
Wir haben die Informationen für euch ins Deutsche übersetzt:
Trainingsplan Halbmarathon / 10 Kilometer
Zur besseren Verständigung:
Seine Halbmarathon-Bestzeit entspricht einen Kilometerschnitt von 2:48 Minuten.
Seine 10-Kilometer-Bestzeit entspricht einem Kilometerschnitt von 2:44 Minuten.
Trainingsumfang
Wanders absolviert ein Trainingsvolumen von 170 bis 190 Kilometern. Diesen Umfang hält er über das gesamte Jahr so gut es geht konstant, auch kurz vor Wettkämpfen oder in spezifischen Trainingsperioden wird daran kaum etwas geändert.
Intensität
Julien Wanders legt auch im Training Wert auf eine hohe Geschwindigkeit.
25 Kilometer-Grundlagenläufe absolviert er in 3:10 bis 3:15 Minuten pro Kilometer. Das liegt also nur rund 25 Sekunden über seiner Halbmarathon-Bestzeit. 35 Kilometer-Läufe legt er in 3:25 - 3:30 Minuten pro Kilometer zurück, also etwa 40 Sekunden über der Halbmarathon-Pace. An jedem anderem Tag läuft er morgens 16 bis 18 Kilometer in 3:30 - 3:40 Minuten pro Kilometer. Intervalle sind selbstverständlich schneller.
Am Nachmittag absolviert er meist einen Regenerationslauf in 4:10 - 4:30 Minuten pro Kilometer, dieser Lauf hat keinen Trainingseffekt, sondern dient zur aktiven Regeneration. Alle diese Einheiten tätigt er auf leicht profilierten Strecken auf 2.400 Metern Höhe.
Die härteste Einheit
Etwa alle 14 Tagen ist folgende Einheit im Programm: 22 Kilometer, mit 3 Kilometern in 3:00 Minuten pro Kilometer (oder minimal schneller), gefolgt von einem Kilometer in 3:20 Minuten. Das ergibt in Summe eine Halbmarathonzeit von 1:04 Stunden. Zum Nachahmen: Die drei Kilometer werden etwa 10 Sekunden über der Halbmarathonpace gelaufen (je schwächer das Leistungsniveau, desto höher darf die Differenz sein), der Kilometer danach gut 30 Sekunden über der Halbmarathonpace. Dieses Prozedere wird fünf Mal ohne Pause wiederholt.
Intervalltraining
Julien Wanders hat bemerkt, das bei Intervallen eine Steigerung der Gesamtlänge von 8-10 Kilometer auf 12-14 Kilometer den Trainingsfortschritt erhöht hat. Meist beginnt er mit langen Intervallen und reduziert danach die Distanz.
2 Beispiele:
- 2 x 3 km in 2:55/km + 5 x 1,2 km in 2:50/km + 4 x 600 m in 2:42/km. Pause immer 2:30 Minuten
- 5 x 800+600+400 (Pause 2:00 + 1:30) in 2:42/km bzw. 2:40/km bzw. 2:30/km. Danach machte er noch ein paar schnelle Intervalle (500, 300, 200 Meter)
Stabilitätstraining
Julien Wanders absolviert von Montag bis Freitag abends immer bis zu 30 Minuten Stabilitätstraining (Planks, Übungen mit Medizinbällen usw.)
Krafttraining
Zudem geht er zwei bis drei Mal pro Woche in den Kraftraum. Zu den Übungen zählen u.a. Kniebeugen, Ausfallschritte und Wadenheben. Die Übungen sollen die Kraft erhöhen und das Verletzungsrisiko reduzieren.
Tapering?
Der Schweizer hält wenig von Tapering. 5 Tage vor seinem Halbmarathon-Europarekord absolvierte er ein forderndes Intervalltraining: 4 x 1.200 Meter (2:50/km) mit 2:30 Minuten Pause, 4 x 1.000 Meter (2:46/km) mit 2:30 Pause und 4 x 800 Meter (2:40/km) mit drei Minuten Pause und abschließend einen 400er in 55 Sekunden. Erst ab zwei bis drei Tage vor dem Bewerb reduziert er seinen Umfang. Trotzdem kam er in dieser Woche auf 160 Laufkilometer.
Wanders persönlicher Tipp
Julien Wanders rät allen Läufern die Geschwindigkeit der langen Läufe zu erhöhen, da langsames langes Laufen seiner Meinung nach sinnlos ist. Das Tempo sollte gleichmäßig sein, idealerweise nahe der Marathonpace. Wanders erwähnte dabei noch, das alle bekannten Weltklassemarathonläufer die langen Läufe zügig absolvieren, viele Hobbysportler dies aber nicht im Training umsetzen.
Noch keinen Halbmarathon geplant? Übersicht aller Halbmarathon-Läufe
Kommentare
da kann ich dir nicht zustimmen. Er sagt doch nicht das mal 2x pro Tag laufen soll oder 180 Kilometer in der Woche, nur die Grundlagenläufe schneller. Und da muss ich ihm recht geben, ich kenne viele Hobbyläufer die die Grundlagen-Läufe einfach so langsam laufen, das es keinen Trainingseffekt mehr haben kann. Ich bin früher die GA-Läufe teilweise weit über 1min/km langsamer als mein HM-Tempo gelaufen. Mittlerweile sind es 45 - max 60 Sekunden langsamer und bei mir hat es sich positiv auf die Leistungsentwicklung ausgewirkt. Schaden füge ich damit meinem Körper aber keinem zu. Die GA-Läufe sind ja weiterhin locker bzw. im aeroben Bereich.
Das ganze relativiert bedeutet:
25km 3:10-3:15 sind bei 80% und damit im unteren GA2 Bereich
35km 3:25-3:30 sind bei 75% und damit im oberen GA1 Bereich.
16-18km in ∅3:35sind zwischen 70-75%
Die Fülleinheiten sind bei 4:10-4:30 und damit im Recom.
Grundsätzlich also nichts besonderes, sondern einfach ein ausgewogenes Training
(Wobei das echt bei vielen Joggern [sorry, Läufern] fehlt)
Langsames Laufen verbessert nicht die (Grund-)Schnelligkeit, eher im Gegenteil: man kann sich mit hohen Umfängen unterhalb der Reizschwelle regelrecht lahm traben. Aus diesem Grund vermeiden Sprinter bewusst sehr hohe Ausdauerumfänge.
Langsames Laufen verbessert die aerobe Ausdauer: Die Herz-Kreislauf-Organe wachsen, die Aufnahme und Verarbeitung von Sauerstoff nimmt zu.
Wer z.B. mit einer Leistung von 5 km in 30' ins regelmäßige Training einsteigt, schafft einige Monate später 10 km in 60' und wird dann vermutlich die 5 km in 29' zurücklegen können, ist so gesehen freilich schneller als vorher. Das hat aber nichts mit Schnelligkeit zu tun, sondern mit Ausdauer durch mehr Organkraft. Um (grund-)schneller zu werden, muss man schneller laufen, um dem Bewegungsapparat geeignete Reize zu vermitteln, die bei Bedarf vom Bewegungsgedächtnis abrufbar sind.
Langstreckler absolvieren regelmäßig höhere Umfänge und schlagen relativ zu ihren Wettkampfleistungen höhere Dauerlaufgeschwindigkeiten an als Mittelstreckler.
Arthur Lydiard, Trainer u.a. der Olympiasieger Peter Snell (1960: 800m, 1964: 800+1500m) und Lasse Viren (1972 und 1976 je 5.000+10.000m) schrieb in den 1960er Jahren, dass männliche Weltklasseläufer in der Basisausdauerphase 100 mi (160 km) Umfang wöchentlich mit Dauerläufen um 5'00-6'00/mi (3'10-3'45/km) absolvieren. In diesem Pace-Bereich waren und sind auch spätere Generationen der Weltspitze mit ihren Dauerläufen unterwegs.
Für pace-orientiertes Dauerlauftraining kann man hieraus grob die "2/3-Tempo(1/10)"-Faustformel ableiten: Für Mittelstreckler mit 1000m 2:20 bzw. 1500m 3:40 als Perspektive sind mittlere DL 10-15 km um 3'30-3'40/km üblich, Bei Perspektive 3:00 bzw. 4:45 wären demnach 4'30-4'45/km, bei 4:00 bzw. 6:20 etwa 6'00-6'20/km angemessen.
Die 2/3-Relation ist nicht präzise und nur eine Faustregel, individuell können sich Abweichungen ergeben, je nach Läufertyp, Disziplin-Schwerpunkt, Austrainiertheit und persönlichen Vorlieben liegt das individuelle Dauerlauftempo irgendwo meist zwischen 60% und 75% der Renntempi von 1/10 der Dauerlaufdistanz.
Selektive Beispiele. Mo Farah absolvierte während seiner Bahn-Karriere m.W. LDL (30-35 km) im Bereich 3'15-3'30/km. Steve Ovett (1:44,1/3:30,8) absolvierte 80% seiner Dauerläufe