Die kanarischen Inseln sind nicht nur beliebt bei sonnenhungrigen Badegästen und Bergwanderern, sondern locken auch schon seit Jahrzehnten Scharen von Ausdauer- und Extremsportlern.
Da sind zum Beispiel der Ironman auf Lanzarote, ein Ableger des Marathon des Sables im wüstenhaften Fuerteventura, oder ein Trail über den Pico del Teide, mit 3718 Metern höchster Berg Spaniens, auf Teneriffa.
Riesiger Ansturm auf den Transvulcania
Eine moderne Erfolgsgeschichte im Zuge des Trailrunningbooms erzählt die Transvulcania auf La Palma, der Nordwestlichsten Insel der Kanaren. Bei der Premiere 2009 standen gerade einmal 378 Athleten an der Startlinie. Dagegen waren die auf 3600 limitierten Plätze für die 4 Rennen beim 10. Jubiläum der Transvulcania 2018 in Rekordzeit ausverkauft. Einem kleinen Rückgang in 2019 folgte der Supergau: zuerst zwei Jahre Pandemie und dann der verheerende Vulkanausbruch von September bis Dezember 2021, der die Insel monatelang lahm legte. Nach zwei Jahren Annullierungen in Folge wurde im Oktober 2022 ein erfolgreiches Comeback zelebriert, bevor der Event im Mai 2023 auf seinen angestammten Termin zurück kehrte. Die 14. Transvulcania vom 9. - 11. Mai 2024 verzeichnete dann schon innerhalb von zwei Monaten über 2000 Anmeldungen. Das ist zwar noch weit von den vorpandemischen Rekordzahlen entfernt, aber mit Teilnehmern aus 50 Ländern und 5 Kontinenten war wieder einmal mehr die Welt zu Gast auf „La Isla Bonita“ - die schöne Insel, wie sie von den Einheimischen Palmeros liebevoll genannt wird.
Eldorado für Outdoor-Fans
Kein Wunder, gilt doch die Destination wegen ihrer großen landschaftlichen Vielfalt und der reichen Flora als die grünste und eine der authentischsten Inseln der Kanaren. Autobahnen sind hier Mangelware, dafür gibt es ein über 1000 Kilometer umfassendes und exzellent markiertes Wanderwegenetz, das Teils auch mit Mountainbikes befahrbar ist. Der 2426 Meter über dem Meer liegende Roque de Los Muchachos, zugleich Kulminationspunkt der Ultra- und Marathonstrecke, macht La Palma zur zweithöchsten Insel des Archipels. Verschiedene Vegetationszonen und Mikroklimata von der Küstenregion bis zum im Winter schneebedeckten Gipfel zeichnen die Landschaft aus. Die Caldera de Taburiente, mit einem Umfang von 28 Kilometern der größte Senkkrater der Welt, verspricht von seinem Kraterrand Blicke ins 2000 Meter tiefer gelegene Innere der Caldera und auf die Nachbarinseln. Diese einzigartige Landschaft macht La Palma zu einem Eldorado für Sportler und Outdoorenthusiasten aller Couleur.
Kaum ein Rennen ist so begehrt
Die Transvulcania ist eines der ersten großen Kräftemessen der Saison für die Weltelite der Trailläufer und genießt einen ähnlich legendären Ruf wie der Ultratrail du Mont-Blanc. Wie kommt es, dass der Event innerhalb einer Dekade die Insel ins globale Epizentrum der Trailrunningszene gerückt hat? Ein Teil des Erfolgs ist dem Enthusiasmus der Palmeros zu verdanken, die sich unermüdlich und zahlreich als Helfer einbringen. Ein anderer Teil die perfekte, hochprofessionelle Organisation. Erst im März 2024 hat adidas TERREX eine mehrjährige Partnerschaft als Titelsponsor unterzeichnet. Auf Social Media Kanälen werden alle 4 Rennen in mehr als 100 Ländern live ausgestrahlt. Und beim Kids-Junior Race dürfen tausende Kinder und Jugendliche die Freude und den gesunden Spirit dieses Sports erleben. Die Insel ist stolz auf ihre größte Veranstaltung, die dadurch in allen Ecken der Welt bekannt wurde, kürzlich sogar jenseits unserer Galaxie…
Sternenklarer Himmel
Vom Gran Telescopio de Canarias auf dem Dach der Insel, dem wichtigsten Observatorium Europas, wurde im letzten Jahrzehnt eine neue Galaxie am Rande des Universums entdeckt. Sogleich stand die Jubiläumsausgabe der Transvulcania 2018 unter dem Motto „Space Runners“ und einer Gemeinsamkeit, die Sport und Wissenschaft miteinander teilen: immer weiter zu gehen! Sogar die Pressekonferenz wurde damals -unter dem Titel „der Galaxie so nahe wie möglich“- in dem riesigen Teleskop mit einem im Durchmesser 10.4 Meter großen Hauptspiegel, das in 2396 Metern Höhe auf dem Roque de Los Muchachos steht, abgehalten. La Palma ist nicht nur ein Biosphärenreservat, sondern wurde aufgrund seiner reinen Atmosphäre, der geringen Luftverschmutzung und einem meist sternenklaren Himmel von der UNESCO als „Starlight Reserve“ ausgezeichnet. Das Firmament hat für die Palmeros solch eine große Bedeutung, dass zu seinem Schutz ein Gesetz erlassen wurde. Fast jede Gemeinde der Insel verfügt über „Miradores“, Aussichtspunkte mit Hinweistafeln und Sternenkarten, von denen aus sich das Firmament besonders gut betrachten lässt. Darüber hinaus haben zahlreiche Unterkünfte Teleskope auf dem Dach.
Steil bergauf
Tazacorte, ein Badeort im Westen von La Palma an einem Donnerstagnachmittag. Touristen aalten sich am pechschwarzen Lavastrand, heiße Rhythmen wummerten über die Promenade, exotische Figuren in grellen Funktionsteilen, viele gepierct und tätowiert, laufen sich warm. Die Party beginnt mit dem Vertical Kilometer, dem ersten Rennen der Transvulcania-Woche. Drei Tage lang stand die Insel Kopf, feierten und umsorgten die Einheimischen ihre verrückten Gäste aus der ganzen Welt. Im 30-Sekunden-Takt starteten 157 Läufer den Bergsprint vom schwarzen Strand in Tazacorte hinauf zu den Sendemasten von El Time. Viele nutzten den Vertical Kilometer als willkommenes warm up für die kommenden Hauptrennen. Durch ein Spalier von gefühlt 1000 Schlachtenbummlern wurden die Vertikalläufer entlassen, um sich sogleich spektakulär in steilen Serpentinen die Bergwand hinaufzuwinden. 7,26 Kilometer und 1203 Höhenmeter waren die Vorgaben und jeder, auch der steilste Abschnitt, war gesäumt von frenetisch applaudierenden Zuschauern. Bei Kilometer 6 und einer Höhe von 1000 Metern ist hier oft schon die Nebelfront erreicht, welche sich hier meistens um die ganze Insel zieht. Erst weitere 1000 Meter höher ist man über den Wolken, wo in der Regel bestes Wetter herrscht. Doch heute war vertikales Kaiserwetter und gewährte einen Galablick in die Caldera. Deutlich zu sehen auch die jüngste Eruptionszone am Westhang des Cumbre Vieja, wo sich am 19. September 2021 in knapp 1000 m Höhe die Erde öffnete. Rund 3000 Gebäude wurden damals zerstört und über 7000 Menschen mussten evakuiert werden. Die auf das Meer treffenden Lavamassen vergrößerten die Inselfläche und schufen neues Land. Mit 50:43 Minuten und 55 Sekunden Vorsprung vor der Konkurrenz erzielte der Japaner Omi Ryonosuke die schnellste Zeit bis zum Ziel am Sendemast von El Time in 1160 Metern Höhe. Auf dem 16. Gesamtplatz folgte die Französin Jessica Pardin als erste Dame in 1:01:32 Stunden.
Fiesta im Winzerdorf
Der Trailsport verzeichnet schon seit geraumer Zeit eine gegensätzliche Entwicklung wie der Straßenlauf. Die längsten und schwersten Strecken einer Veranstaltung generieren die meisten Teilnehmer. So wurden am Samstagmorgen um sechs 900 Läufer am Leuchtturm von Fuencaliente, dem südlichsten Punkt La Palmas, mit Stirnlampen auf die Ultrastrecke (73,06 km/+4350 m/-4057 m) entlassen. 90 Minuten später folgten im ersten Tageslicht weitere 600 beim „Media Maratón“ (24,8 km/+ 2097 m/-689 m). Für den kleinen Winzerort Los Canarios, bei Kilometer 7 der Laufstrecke und bereits in 722 Metern Höhe gelegen, ist das alljährlich eine besondere Fiesta. Das ganze Dorf war auf den Beinen und feierte mit einem Höllenlärm die 1 ½ Tausend Athleten, die innerhalb weniger Stunden diesen ansonsten ruhigen Gebirgsweiler kreuzten. Auf der steilen Fanmeile waren Bronzeplatten mit den Daten vergangener Transvulcanias in den Boden eingelassen. Beim Aufstieg wurde das Trümmerfeld des Vulkanausbruchs von 1971 durchquert. Der unterhalb des Ortes gelegene Vulkan Teneguia spuckte damals 12 Millionen Kubikmeter Lava und bildete 29 Hektar neues Land im Meer.
Viele Höhenmeter
Immer höher ging es auf der „Ruta de los Volcanes“, vorbei an Relikten vergangener Eruptionen, über Vulkankuppen und durch schwarze Lavawüsten. Eine spektakuläre Landschaft, die so wohl nur noch auf Hawaii im Pazifik und der französischen Insel La Reunion im Indischen Ozean zu finden ist. Nach Durchquerung des Nebelwaldes tauchte der Pico del Teide von der Nachbarinsel Teneriffa auf, dessen fast 3800 Meter hohe Kuppe majestätisch am Horizont thronte. Die Farben, Gerüche, das intensive Licht und der Weitblick waren ein Fest für die Sinne! Das Refugio El Pilar, 1445 Meter hoch inmitten eines kühlen Pinienwaldes gelegen, hatte 3 Funktionen: dritte Versorgungsstelle der Ultras, Ziel des verlängerten Halbmarathons mit dem Spanier Daniel Osanz Laborda als Sieger in 2:12:35 h, und Start des Marathons (43,2 km/+1884 m/-3329 m). Letztere wurden bereits um 6 Uhr mit über 700 Läufern auf die Reise geschickt, deren Kurs weitgehend identisch mit dem Rest der Ultrastrecke ist.
Streckenrekorde
Bei blauem Himmel, praller Sonne und Hitze erreichten die Läufer entlang der Caldera de Taburiente den Roque de Los Muchachos, wo kurz unterhalb des Gipfels in 2400 Metern Höhe ein Hauptversorgungspunkt zum verweilen einlud. Der Blick fiel auf ein Dutzend Sternwarten über den tiefblauen Atlantik bis zu den Nachbarinseln Teneriffa, La Gomera und El Hierro. Den Space-Runnern offenbarte sich eine wahrhaft galaktische Atmosphäre! Hier wollte man gar nicht mehr weg! Gut so. Denn was jetzt folgte, war ein Killer! Der 18 km lange Downhill auf technisch anspruchsvollen Pfaden von 2400 Meter runter auf Meereshöhe erschütterte auch den gestählten Body eines Trail-Junkies. Unten am Strand von Tazacorte angekommen, waren die Marathonläufer erlöst. Als erstes in 3:44:25 h Francisco Jóse Anguita Bayo aus Spanien. Und, bereits 21 Plätze dahinter, folgte seine Landsfrau Gemma Arenas Alcazar in 4:35:01 h als erste Lady. Beide Zeiten waren zugleich Streckenrekord.
Der längste Lauf
Die Ultraläufer bekamen noch etwas mehr geboten für ihr Startgeld. Denn die letzten 5 Kilometer führten durch ein ausgetrocknetes Flussbett und einen letzten ruppigen Anstieg hinauf ins Ziel nach Los Llanos de Aridane auf 338 Metern Höhe. Die nach Einwohnern größte Stadt der Insel feierte die Ankunft ihrer Heroen und bereitete auch dem letzten Space-Runner nach knapp 16 Stunden Laufzeit einen tosenden Empfang. Die ersten Partygäste waren schon 9 Stunden früher hier. Nur 7:03:10 h benötigte der Brite Jonathan Albon für den Gesamtsieg bei der 14. Transvulcania, zwei Minuten dahinter der Russe Dmitry Mityaev in 7:05:16 h. Die erste Dame kam von der anderen Seite des Erdballs: Ruth Croft aus Neuseeland knackte in 8:02:49 h den 7 Jahre alten Streckenrekord der Schwedin Ida Nilsson, die in 8:16:32 h als Zweite das Rennen beendete und in den Jahren 2016-2018 den Transvulcania drei mal in Folge gewann. Aus deutscher Sicht gab es zwei interessante Top Ten Platzierungen bei den Trailladys. Kim Schreiber erzielte im Marathon den 3. Platz in 4:44:38 h und Katharina Hartmuth den 7. Platz auf der Ultrastrecke in 8:57:34 h. Die Österreicherin Sarah Keuschnig erzielte mit 5:35:53 h den 10. Platz im Marathon.
Fakten zum Transvulcania
Die 15. Transvulcania findet vom 8.-10. Mai 2025 statt. Da zwischen dem Vertical Kilometer am Donnerstag und den 3 Hauptrennen am Samstag ein Ruhetag liegt, bietet sich ein Doppelstart an.
Touristische Informationen
La Palma ist ein ideales Terrain für Outdoor-Aktivitäten wie Mountainbiken, Tauchen, Gleitschirmfliegen, Wandern, Trekking etc.
Allgemeine Informationen: www.visitlapalma.es/de
Die Kanaren (Spanien) bilden mit den Kapverdischen Inseln (unabhängiges Land), Madeira und den Azoren (beides autonome Regionen Portugals) eine große Familie. Sie gehören zu den Makaronesischen Inseln, einer Region von Inselgruppen vulkanischen Ursprungs im östlichen Zentralatlantik.
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