Ein Swimrun nur für Männer? Dieser Gedanke drängt sich auf den ersten Blick auf. Aber nein, sagt Kursdirektor Nicolas Vergne!
Wie der Begriff entstand kann er selbst nicht mehr nachvollziehen. SWIMRUNMAN ist eine geschützte Bezeichnung und steht für eine Serie von vier Veranstaltungen in einigen der spektakulärsten Regionen Frankreichs, wie der Verdonschlucht oder der Alpenstadt Embrun.
Gemeinsam ist den Events, dass sich Männlein, Weiblein und auch Kinder aller Leistungsklassen in den Formaten Kids, Sprint, Classic, Half, Night, Vertical oder Ultra austoben können.
Zwar ist Swimrun traditionell und aus Sicherheitsgründen für Zweierteams (männlich, weiblich, mixed) gedacht, aber bei den kürzeren Distanzen dürfen auch Solostarter ran. Somit können Einzelsportler oder solche die keinen Teampartner finden an diesem attraktiven Sport partizipieren. Beim Swimrun wird auf Trails gelaufen und durch offene, fließende oder stille, meist empfindlich kalte Gewässer geschwommen, ohne zwischendurch die Kleidung zu wechseln. Das bedeutet: die Teilnehmer schwimmen in Laufschuhen und laufen im Neoprenanzug. Schwimmhilfen wie Pullboys, Paddles, Kurzflossen und Schleppseil sind ausdrücklich erlaubt, müssen aber von Start bis Ziel mitgenommen werden. Auf das „MAN“ im Veranstaltungsnamen angesprochen gelobt Nicolas Vergne Besserung. Vielleicht, so sein spontaner Vorschlag, wird das M in Zukunft mit einem farblich abgehobenen W überschrieben...
Mit gerade einmal 42 Einwohnern pro Quadratkilometer ist das Limousin, welches sich über die Departements Haute-Vienne, Creuse und Corrèze verteilt, die am dünnsten besiedelte Region Frankreichs. Da es hier am Rande des Zentralmassivs zwischen Paris und Toulouse kaum Industrie gibt, ist die Region das Naturreiseziel par exzellence. Die Landschaft hat Mittelgebirgscharakter – höchste Erhebung ist der Mont Bessou mit 978 m. Bei vielen Deutschen ist das Limousin auch wegen seiner berühmten Rinder und ihrer hervorragenden Fleischqualität bekannt. Die Filets der Rinderrasse „Limousin“ gelten als der Rolls Royce unter den Kühen und gehören zu den Exportschlagern der Region, welche auch das Hochplateau der tausend Kühe genannt wird. Die Hauptstadt Limoges, heute berühmt durch ihr imposantes Bahnhofsgebäude mit dem 61 m hohen Glockenturm, wurde einst von den Römern erbaut, hat eine herrliche Altstadt und beherbergt edle Porzellanmanufakturen. Das Porzellan ist nicht nur sehr begehrt auf den schönsten Tischen der Welt, sondern auch als Knieprothese bei manchen Athleten.
Nur 55 km von Limoges entfernt liegt der Lac de Vassivière, mit 1000 Hektar der zehntgrößte Süßwassersee in Frankreich und eine beliebte Ferienregion. Der künstliche See entstand 1950, als das Flüsschen Maulde für den Bau eines Wasserkraftwerks aufgestaut wurde. Wäre er nicht von Menschenhand gemacht, könnte man annehmen, dass der Stausee mit seinen unzähligen Eilanden, Buchten, Halbinseln und tiefen Wäldern vom Schöpfer für einen Swimrun modelliert wurde. Übrigens nicht nur dafür, seit kurzem findet hier auch ein XTERRA statt, die Crossvariante des Triathlons. Mit der 70 Hektar großen Insel Ile de Vassivière, wo der Start des „SWIMRUNMAN Lac de Vassivière“ stattfindet, hat man einen idealen Spielplatz für ein solches Event gefunden. Die bereits vorhandene Infrastruktur ist perfekt, um die Massen einer Großveranstaltung aufzunehmen. Rund um den 30 Kilometer langen Uferweg gibt es ein halbes Dutzend Campingplätze und kostenlose Wassertaxis führen auf mehreren Routen über den See. Auf der Insel selbst befindet sich ein Leuchtturm, der zum „Centre international d’art et du paysage“ gehört, einem Kunstzentrum mit zeitgenössischen Werken. Es gibt ein kleines Schlösschen, einen Tierpark und ein Arboretum. Und immer öfter Ausdauersportler, die über Felder und Wiesen hetzen und den angestammten Kühen Konkurrenz machen.
Nasskaltes Klima, Nieselregen und 15 Grad Wassertemperatur stört beileibe nicht die gute Laune am Start. Swimrun-Athleten sind kernige und zähe Burschen, die einem harten und technisch anspruchsvollen Outdoorsport frönen. Bei ähnlichem Wetter waren schon eine handvoll Kinder und Jugendliche am Vortag auf Strecken von 800 bis 2500 Metern unterwegs. Zuerst werden in der Kategorie „Half“ 130 Teilnehmer auf die lange Reise geschickt, die 6.7 km Schwimmen und 30.8 km Laufen mit 527 Höhenmetern sowie 26 Disziplinenwechsel beinhaltet. Eine Stunde später sind 75 Zweierteams und 60 Solisten beim „Classic“ unterwegs (4.3 km Schwimmen/18.9 km Laufen/297 Höhenmeter/18 Wechsel) und weitere 30 Minuten später 112 (inklusive 40 Solo) beim „Sprint“, wo 2.5 km schwimmend und 11.1 km laufend (128 Höhenmeter und 12 Disziplinenwechsel) beackert werden müssen. Dabei wird der ruhige und flache See kreuz und quer durchschwommen und entlang der Ufergestaden sowie durch die ihn umgebenden dichten, teilweise mystischen Wälder auf schlammigen, aber butterweichen Trails gelaufen.
Bei der Langdistanz wurden übrigens eine Top-Swimrunnerin und vier Top-Swimrunner vom Nationaltrainer, der persönlich vor Ort war, für die Aufnahme ins Nationalteam gesichtet. In Frankreich wird die Disziplin Swimrun vom nationalen Triathlonverband Fédération Francaise de Triathlon (FFTRI) vertreten. Anders als beim Triathlon, darf beim Swimrun auch noch bei Wassertemperaturen von weniger als 12°C geschwommen werden. Auch bei der Stärke des Neoprenanzugs gibt es keine Beschränkungen. Apropo, besonderer Service beim SWIMRUNMAN: auf Vorbestellung können spezielle Swimrun-Anzüge gegen Gebühr geliehen werden. Trotzdem geht die ständige Konfrontation mit der Kälte ordentlich an die Substanz, vor allem bei den langsamen Schwimmern, die nicht selten mit einer suboptimalen Unterkühlung an Land kommen. Dann hilft nur eines: Bewegung, noch mehr Bewegung, warme und vor allem positive Gedanken, und an der nächsten Verpflegungsstation eine Ladung heißen Tee, nicht nur in den Rachen, sondern auch in den Neoprenanzug kippen…
Dennoch hatten alle einen Riesen Spaß, besonders die Teams. Denn zu zweit erhöht sich der Spaßfaktor und man kann sich gegenseitig motivieren und unterstützen. Gute Teamarbeit ist dabei entscheidend. Durch intelligente Zusammenarbeit ergänzen sich die Stärken der beiden Partner. Die Gründe für den Erfolg dieser noch relativ neuen und reizvollen Spielvariante sind vielfältig. Man kann zusammen mit einem Freund ein gewaltiges Naturerlebnis genießen. Aufwendige und komplizierte Ausrüstung ist nicht notwendig und es ist letztendlich ein Nahkampf mit der Natur, der körperlich und geistig alles herausfordert. Den erfolgreichsten „Nahkampf“ auf der Langstrecke (37,5 km) absolviert das Duo Fabiene Besancon und Pierre Massonneau in 4:08:06 h. Noch in den Top Ten das erste Mixed-Team Julia Moustakir und Benjamin Dupain in 4:34:42 h. Bereits fast 1 ½ Stunden hinter den Siegern das beste Damenteam „Les Sardines“ mit Aline Ory und Mathilde Baronnier in 5:32:42 h. Interessant, dass bei den kürzeren Distanzen die besten Soloteilnehmer das Ziel noch vor den ersten Teams erreichten. Beim Classic (23,2 km) war das Verhältnis 2:29:42 h zu 2:44:49 h und beim Sprint (13,6 km) 1:43:20 h zu 1:45:04 h, erreicht von einem Mixed-Team, welches das erste Männerteam noch um 55 Sekunden abhängte.
Neben SWIMRUNMAN (im Juni) und XTERRA Triathlon (im Mai) gibt es als größte Veranstaltung in der Region noch das „Rennen der Gendarmen und Zeitdiebe“, das immer am Pfingstwochenende mit rund 5000 Teilnehmern in Ambazac stattfindet, einem Städtchen auf halbem Weg zwischen Limoges und dem Lac de Vassivière. Verglichen mit Distanz, Teilnehmerzahlen, Medien- und Zuschauerinteresse kann der Event gerne auch als der „französische Hermannslauf“ bezeichnet werden. Es lohnt sich also für deutsche Ausdauersportler, eine dieser Veranstaltungen mit dem ganz besonderen französischen Flair zu erleben. Natürlich am besten in Verbindung mit einem Urlaub. Von Düsseldorf oder Köln sind es knapp 900 km bis ins Limousin. Das grüne Herz Frankreichs bietet zahlreiche Attraktionen: Da sind Freiluftarenen wie die beiden Naturparks Millevaches en Limousin und Perigord Limousin. Die Region hat hunderte Kilometer klarer Flüsse, darunter auch die Dordogne, welche zu den schönsten Flüssen Frankreichs zählt. Das Limousin steht aber auch für Handwerkskunst, eine authentische Küche, für verschlafene Dörfer und stolze Burgen. Frankreichs berühmter Maler Claude Monet weilte im Jahre 1889 für ein paar Monate im Limousin und schuf hier die erste als „impressionistisch“ bezeichnete Bildserie der Kunstgeschichte.
Fakten
Bei der Tour du Lac de Vassiviere im Juni wird der See einmal komplett umrundet (23.4 km). Neben dem verlängerten Halbmarathon gibt es noch diverse Nordic-Walking-, Wanderstrecken sowie Kinderläufe:
Tipp: In Auphelle am Lac de Vassiviere gibt es den sehr gut ausgestatteten Campingplatz „Paradis Les deux-iles“, mit Hüttenvermietung, eigenem Sandstrand, Restaurant und Wassertaxi, das die Besucher kostenlos in 5 Minuten zur Insel bringt: www.campingles2iles.fr/de/
Im Limousin befinden sich 10% der Seen des gesamten Landes, darunter auch der Lac de Saint-Pardoux, ein für den Tourismus angelegter Stausee 25 km nördlich von Limoges und nach dem Lac de Vassivière der zweitgrößte See im Département Haute-Vienne.
Fotos: © Maxime Authier
Kommentare