Denkt man an die Kombination Zypern + Laufen, kommen einem normalerweise die vier bekannten Städtemarathons in Paphos und Limassol (beide im März), sowie Larnaka (November) und Nikosia (Dezember) in den Sinn.
Für „Ländersammler“ bilden sie üblicherweise die Auswahl, einen Marathon auf Zypern ins Logbuch zu bekommen.
Darüber hinaus lässt sich aber auch erkennen, dass die Trailrunning-Szene auf Zypern in den letzten paar Jahren starke Lebenszeichen von sich geben konnte. Als markantestes Beispiel kann der im höchsten Gebirge des Landes, dem Troodos Mountains nördlich von Limassol seit längerem ausgetragene und "höchst" interessante 22-KM Olympus Traillauf herangezogen werden, der fast ausschließlich über 1.700 m ü.d.M. stattfindet und einen spektakulären Zieleinlauf am höchsten Punkt der Insel, dem Mount Olympus auf 1.952m hat (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Berg und auch Marathon in Griechenland).
Seit letztem Jahr wurden diesem "Klassiker" zwei weitere Ultraläufe hinzugefügt: Der schwierigere OlympusMan Marathon Plus mit 47 KM und ca. +/-1.600 Höhenmetern und der noch extremere OlympusMan Ultra-Marathon mit 72 KM und ca.+/- 2.400 Höhenmetern. Letzterer konnte am vergangenen Wochenende (26.10.2024) bei seiner zweiten Durchführung eine Finisherquote von gerade mal 50% verzeichnen (9 von 18 Starter:inne:n), während der OlympusMan Marathon Plus 47K immerhin 24 erfolgreiche Zieleinläufe (bei 3 DNF) aufweisen konnte. Umso glücklicher war ich deshalb, als ältester Teilnehmer in einer Zeit von 07:53:52 die Herausforderung gemeistert zu haben.
Vorüberlegungen zu meiner Teilnahme am 47-KM-Trail
Zypern kenne ich zu einem gewissen Grad schon relativ lange. 1980 war ich als UNO-Soldat beim österreichischen Kontingent des UNFICYP Bataillons ein halbes Jahr im Osten der Insel stationiert. Sechs Jahre nach der türkischen Invasion in den Nordteil der Insel war das an der Ostküste gelegene Famagusta bereits eine verlassene Geisterstadt jenseits der Demarkationslinie, wo die UNO-Truppe aus Österreich ihr Hauptquartier bezogen hatte. Neben Wachdiensten entlang der östlichen Pufferzone waren wir zu jener Zeit auch für Versorgungsfahrten auf die ganz nordwestlich gelegene Karpaz-Halbinsel zuständig. Dies und andere Exkursionen ins Landesinnere hinterließen bei mir bereits damals einen bleibenden Eindruck des Landes, insbesondere aber die landschaftliche Schönheit im Frühling war stellenweise sehr beeindruckend: blühende Zitronenbäume und wild wachsende Oleanderbäume verliehen ganzen Arealen ein buntes Kleid. Als willkommene Überraschung entpuppte sich zu Beginn meiner Mission als UNO-Soldat auf Zypern, sozusagen noch im mediterranen Winter, eine einmalige Dienstfahrt ins Troodos-Gebirge, wo wir verschiedene Ausrüstung zu testen hatten und unter anderem auch ein paar Schwünge auf Skiern am Mount Olympus in den halbwegs akkumulierten Schnee setzen konnten. Der Zeus Skilift mit 380 m Länge existiert als einziger seiner Art seit damals am Troodos (drei weitere kleine gibt es heute noch zusätzlich). Während sich die Talstation, auch Heimstätte des Cyprus Skiclubs, noch in der Provinz Nikosia befindet, ist man beim Ausstieg auf dem Berggipfel bereits im Bezirk Limassol.
Seit 1980 ist nun viel Wasser den Troodos runtergeflossen. Obwohl geografisch bereits in Asien wurde die Insel Zypern 2004 als de facto geteiltes Land Mitglied der EU. Der Nordteil, die Türkische Republik Nordzypern, wird bis heute allein nur von der Türkei als Staat anerkannt. Die Grenze führt quer durch die Hauptstadt Nikosia und ist heute für Touristen geöffnet. Ich war in den vergangenen Jahren mehrfach in Zypern auf Urlaub. 2021 hatte ich außerdem den Larnaka Marathon im Osten der Insel absolviert. Das nahe Paphos als touristischer Hotspot und die etwas westlich gelegene, aber ruhige und verträumte Bucht von Pissouri waren wiederholt Ankerpunkte für eine erholsame Frühlings- oder Herbsturlaubswoche. Diesmal war es nicht anders: eine Woche Herbstferien im Osten der Insel, noch dazu mit der Möglichkeit am Ende der Woche an einem Ultratrail in den Bergen teilzunehmen, war eine überzeugende Option.
Samstag – Race Day
Die Anfahrt zum Troodos Gebirge ist über etliche Strassen möglich, abhängig von wo her an der Küste man kommt. In der Regel ist das Leihauto dafür unumgänglich und man sollte so mit knapp 1 ½ Stunden Anfahrtszeit rechnen. Ich fahre bereits um 05:20h früh vom Hotel in Geriskopiou weg um noch genügend Zeit vor dem offiziellen Start des 47-KM-Bewerbs um 07:45h früh zu haben. Zur Anfahrt nehme ich zuerst die Autobahn A6 nach Westen bis zur Abfahrt nach Avdimou und dann die E601 nach Norden über Omodos und Mandria ins bereits hochgelegene Pano Platres, der letzte Ort in den Bergen mit nennenswerter Bevölkerung. Von da sind es nur noch 15 Minuten über die B8 zum Troodos Square auf 1.925 m ü.d.M., wo der Start der drei verschiedenen Bewerbe sein wird. Für die OlympusMan Marathon+ Teilnehmer ist die Startnummernausgabe im historischen Troodos Hotel am Samstag vor dem Rennen vorgesehen, während die Ultraläufer des 72-KM-Bewerbes ihre Startberechtigung inklusive Race-Briefing bereits am Vorabend erhalten müssen. Dies macht auch Sinn, da der frühe Start des Ultrabewerbes bereits um 05:00h früh anberaumt ist. Als ich am Troodos Square eine gute Stunde vor Start eintreffe, sind die 18 Ultratrailläufer bereits auf der Strecke. Von den Gemeldeten für den OlympusMan Marathon+ (47K) finden sich nach und nach alle 27 Starter im Troodos Hotel ein. Das Organisationsteam, welches großteils von Mitarbeiter:inne:n von Activate Cyprus, dem mit jährlich 67 Bewerben grössten Veranstalter von Läufen, Triathlons und Bike-Events in Zypern (activatecyprus.com), gestellt wird, hat bereits alles bestens für die Startnummernausgabe vorbereitet. Es gibt keine Wartezeit. Zusätzlich zur Starnummer erhalte ich auch einen Goodie-Bag mit Laufshirt, flexiblem Trinkbecher, Rettungsfolie, Gel, einem Stifterl Rotwein und die Notfallnummern der Kontaktpersonen, ganz nett und robust in Laminierfolie eingebracht. Manchmal sind es die kleinen Details, an denen man wirklich herzhafte und professionelle Organisation erkennt. Ich nutze auch die Möglichkeit, hier einen Kleidersack deponieren zu können, welcher dann zum endgültigen Ziel, dem Mt. Olympus (1.952 m), befördert wird. Das flackernde Kaminfeuer in der grossen Lobby des Hotels erinnert mich an alpine Berghütten in unseren Breiten.
Bald sind auch die letzten Starter eingetroffen und wir begeben uns alle vors Hotel, wo ein Startbogen aufgebaut wurde. Der Race Director gibt noch kurze Anweisungen bezüglich der Trail-Markierungen. Nebenbei erwähnt er, dass es aber auch ratsam ist, immer wieder die eigene Position während des Laufes mit der auf die Laufuhr geladenen gpx-Datei zu vergleichen, insbesondere im ersten Teil, wo die Strecke nicht immer klar definierten Trails folgen wird. Dieser Hinweis beunruhigt mich etwas, da ich die gpx-Datei nur auf eine Handy-App geladen habe und ich nicht weiss, wie gut das bei Bedarf funktionieren wird. Wie sich später herausstellt, werde ich das Handy diesbezüglich gar nicht beanspruchen, jedoch werde ich drei Mal die richtige Abzweigung der Strecke suchen müssen, was mich insgesamt einige Minuten an Zeit gekostet haben wird.
Plangemäß wird das Startsignal um 07:47h für unseren Bewerb gegeben und 26 Männer und eine Frau laufen nach 100 m auf der Straße bereits direkt ins Gelände hinein. Es ist den roten Plastik-Markierungspunkten zu folgen, die auf Bäumen, Sträuchern, Felsen oder am Weg angebracht sind. Ich kann mir nicht ganz vorstellen, wie die Ultraläufer, welche bereits um 5h Früh ins Gelände gelassen wurden, selbst mit Stirnlampe hier die Orientierung finden können. Die genaue Routenführung auf der Laufuhr ist dabei wohl unumgänglich. Zum Glück kommt bei uns jetzt bereits die Sonne raus und die Lichtverhältnisse sind sehr gut. Es ist wieder ein traumhafter mediterraner Spätsommertag mit angenehmen Temperaturen von anfangs 7° C welche bald bis auf 18° steigen werden.
Das Anfangstempo ist hoch und macht mir zu schaffen. Wir befinden uns auf über 1.700 m ü.d.M. und man spürt bereits den leicht reduzierten Sauerstoffgehalt in der Luft. Die ersten Kilometer sind sehr hart, nicht nur wegen der Höhe, sondern auch weil die vorgesehene Trailstrecke gewissermaßen von einem Canyon zum anderen übersetzt und bei diesen Querungen unwegsames Terrain überwunden werden muss. Darauf wird auch in der Ausschreibung hingewiesen. Ein Stück dieser ersten Kilometer klettern wir quasi auf allen Vieren über eine Geröllhalde hinauf, um wieder auf einen weiteren Trail zu stoßen. Zum Glück geht es aber bald leicht bergab, was das Durchqueren von lichten Gras- und Baumzonen etwas leichter macht. Dennoch geht die Abwärtspassage, wenn auch bald wieder auf besser befestigten Trails nicht einfach von statten. Vorsicht ist geboten bei den vielen Steinen auf den Trails. Bereits in der ersten Stunde sehe ich einige Läufer vor oder hinter mir stürzen. Zum Glück ohne ernsthafte Verletzungen.
Meiner Erfahrung nach gibt es bei Trail- bzw. Bergmarathons etwa vier Grundtypen der Streckenführung: a) die relativ einfachste Strecke startet im Tal und führt im ersten Teil stetig aufwärts, um dann wieder mehr oder weniger konstant zurück ins Tal zu führen (z.B.: Arlberg-Montafon Marathon); b) etwas schwieriger wird das ganze bereits, wenn die erste Hälfte des Marathons / Ultras eher moderat hügelig dahingeht, um dann in der zweiten Hälfte so richtig auf die höchste Stelle zu führen (z.B.: Stanzer Trail); c) sehr anstrengend sind sodann Streckenverläufe, die vom Tal an unentwegt nach oben führen um dann das Ziel am Berg zu haben (z.B. Zermatt Marathon); und d) die m.M.nach herausforderndsten Routen sind jene, die am Berg starten, dann die Läufer ganz ins Tal jagen, nur um dann die Strecke wieder raufführen zu lassen (und dies ev. mit Wiederholung). Der OlympusMan Marathon zählt zu letzter Kategorie.
Die erste von zwei Schleifen hat eine Distanz von 25 km, wobei wir nun ab KM 6 sehr steil bergab laufen werden. 850 Höhenmeter verlieren wir nun in kurzer Distanz bis ca. KM 13, nur um dann sogleich wieder auf anderen Pfaden hinauf Richtung Ausgangspunkt geführt zu werden. Nach der erreichten Talsohle kommt bald die erste Labestelle bei Kannoures – Agios Nikolaos tis Stegis, was mir neue Energie für den weiteren Anstieg verschafft. Das Aufwärtsklettern entlang einem der wenigen Flüsse Zyperns, die auch im Sommer Wasser führen, gestaltet sich abschnittsweise schwieriger als gedacht.
Immer wieder lande ich im Bachbett selbst und verliere für einen Moment den mal links und dann wieder rechts vom Fluss berganführenden Trail. Endliche erreiche ich fast wieder Ausgangshöhe und der Trail führt nun nur mehr leicht ansteigend zum zweiten Checkpoint und der Labestelle beim Troodos Square. Ich befinde mich noch gut innerhalb des Zeitlimits, wenngleich auch die Zeitreserve nicht mehr allzu groß ist. Es geht jetzt in die zweite große Schleife in der wir uns nur mehr zwischen 1.700 und 1.900 m ü.d.M. bewegen werden. Der Trail ist nun klar ausgeprägt, wenngleich auch an vielen Stellen mit sehr großen Steinen gespickt, was nach wie vor zur Vorsicht mahnt. Ich stolpere mehrfach, auch wegen der aufkommenden Müdigkeit, kann aber Stürze vermeiden.
Ca. bei KM 33 bekomme ich einen merkbaren Einbruch, wohl aufgrund von Unterzuckerung. Ich hatte zwar immerhin schon einen ganzen Proteinriegel und ein Gel zu mir genommen, dennoch fühle ich mich plötzlich kraftlos. Die Sonne scheint nun auch sehr intensiv auf die teilweise schattenlosen Streckenabschnitte und ich sehne die nächste Labestelle herbei. Endlich bei KM 38 kann ich mich mit ersehnten Zitrusfrüchten und isotonischem Getränk stärken. Sogleich geht es wieder signifikant besser und mich streift bald ein erster Hauch von Euphorie angesichts des nun möglichen erfolgreichen Finishes. Bald überholen mich nun bereits die schnellsten Läufer der 22-KM Unterdistanz, welche zu Mittag ebenfalls vom Troodos Square auf die Piste geschickt wurden. Zirka eine Handvoll der über 70 Gestarteten wird mich auf meinen letzten Kilometern noch überholen, aber ich empfinde es als willkommene Abwechslung und Ansporn. Der eine oder andere feuert mich auch noch aktiv an, und letztlich spricht einer aus, was man nach mehr als sieben Stunden Traillaufen gerne hört: „The end is in sight!“. Ich mache mich mental nochmals bereit für die letzten ca. 100 Höhenmeter Anstieg von der Talstation des Skilifts hinauf auf den Gipfel des Troodos Gebirges, den Mt. Olympus auf 1.952 m Seehöhe.
Euphorisch laufe ich unter lauten Anfeuerungsparolen des Platzsprechers durch den Zielbogen. Dieser Traillauf hat mir ziemlich viel abverlangt und daher bin ich glücklich und stolz, es am Ende ohne ein nennenswertes Problem (als ältester Teilnehmer) geschafft zu haben: ab heute darf ich mich nun auch „OlympusMan“ nennen J.
Nach verdienter Labung im Ziel führt uns ein Bus zurück zum Troodos Square, wo ich mein Leihauto auf den ausreichend großen Parkplatz parkiert habe und beginne gleich die Rückfahrt ins Hotel am Meer. An der gewiss schönen Siegerehrung um 18:00h Ortszeit im Troodos Hotel habe ich nicht mehr teilgenommen, aber vielleicht zieht es mich nochmals zu dieser Veranstaltung und dann kann ich dies ja auch noch nachholen.
Fazit
Der O3OlympusMan Marathon Plus (47 KM) ist ein äußerst attraktiver, aber sehr schwieriger Trailmarathon in einem einzigartigen mediterranem Umfeld. Die Strecke besteht aus zwei grundverschiedenen Schleifen, wobei die erste mit 25 KM auch die meisten +/- Höhenmeter aufweist. Bei der zweiten 22-KM-Schleife bewegt man sich ausschließlich über 1.700 m. ü.d.M. Dabei sollte man bedenken, dass lang andauernde Anstrengung ab dieser Höhe durch den etwas reduzierten Sauerstoffgehalt der Luft bereits stärker spürbar wird als weiter unten im Tal. Die Labestellen sind typischerweise, wie bei den meisten Ultratrails, v.a. im ersten Loop weit auseinander (nur eine ca. bei KM 14). Dementsprechend viel Flüssigkeit sollte man im Laufrucksack mitführen. Zur Orientierung muss eindrücklich empfohlen werden, den gpx Routenfile auf die Laufuhr zu synchronisieren und mit der Guidance-Funktion der Uhr den ersten Teil zu laufen. Auf der zweiten Schleife ist dies nicht mehr unbedingt erforderlich. Es versteht sich von selbst, dass gute Trailschuhe eine Muss sind. Wer ernsthaft überlegt, die 72 KM-Ultra-Variante zu laufen, sollte sich vorab eingehend mit der Routenführung auseinandersetzen. Laufen in unwegsamen Gelände im Finsteren ist keine Kleinigkeit!
Wie bereits erwähnt, gehen die Organisatoren sehr engagiert und beherzt an die Veranstaltung heran. International haben sie deshalb auch bereits bei der 2. Durchführung eine ITRA (Int. Trail Running Association) Akkreditierung erreicht. Für den OlympusMan gibt es daher dementsprechend 2 (47K) bzw. 3 (72K) ITRA-Punkte.
Die Finisher-Medaille ist der einzige Punkt, den ich sofort verbessern würde. Die verwerfliche Holzspanplatten-Medaille erscheint nicht ganz adäquat als Belohnung für die abverlangte Anstrengung. Das inkludierte T-Shirt ist jedoch attraktiv, weitere sinnvolle Goodies sind ebenfalls im Starterpaket enthalten.
Die Öffentlichkeitsarbeit des Laufes ist einwandfrei über eine mehrsprachige Website und Social Media Präsenz abgedeckt. Gratis Lauffotos von den verschiedenen Bewerben und von den meisten Marathon Finishern sind kostenlos über Google Drive zugänglich gemacht.
Teilnehmer und Siegerzeiten OlympusMan Trail Marathon Plus (47K)
Frauen:
- Irina Masanova, RUS 06:19:07
∑ 1 Finisherin ♀
Männer:
- Ivan Kriuchin, RUS 05:28:17
- Maksim Petrov, CYP 05:28:59
- Pambos Kalathas, CYP 05:46:33
∑ 23 Finisher, 3 DNF ♂
∑ 9 Nationen
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