Brünn hat 380.000 Einwohner, von der Stadt selber sieht man beim Sunrise-Marathon aber nichts. Wegen der Stadt bin ich diesmal auch nicht hier. Der Marathon, der um exakt 04h47 starten soll, exakt zu Sonnenaufgang, der reizt mich. Und im Gegensatz zu Altenburg in der Vorwoche ist der hier flach.
Seit ich im Mai zum Salzburg-Marathon-Termin krank war, fehlt mir ein Marathon in der Marschtabelle. Der Sunrise-Marathon kam mir in den Sinn. Erst drei Tage zuvor melde ich mich an und suche mir ein Zimmer. Ich finde die Penzion Xaver in Blučina (dt: Lautschitz) um nur € 31,- Ü/F. Mehr ist es auch nicht wert. Die Gaststube hört man auf dem Zimmer so laut, als würde man mittendrin liegen. Dabei reden die Leute nicht extra laut, die Akustik ist die Katastrophe. Es hallt nur so, ebenso hört man jedes Geräusch aus einem der anderen Zimmer, Katastrophe! So komme ich auf etwa 2 Stunden Schlaf als ich um 2h früh aufstehe. Mein Standard-Frühstück: 2 Hofer-Topfengolatschen à € 0,99 und Mineralwasser, das muss genügen.
Um 03h10 beginnt ein Hahn zu krähen, sehr ausdauernd ist der! Ich checke aus, indem ich um 03h40 den Zimmerschlüssel ins Postkastl schmeiße, etwa 20min werde ich zum Start im Süden Brünns brauchen. Ich kurve durch die Dörfer. Noch ist es finster, im Osten ist der Himmel aber schon ein bisschen heller. Nebelschwaden auf den Feldern, Hasen und Katzen auf den Straßen, ganze 9°C hat es. Als ich das Auto am Parkplatz des Olympia-BRNO, einem riesigen Einkaufszentrum, abstelle, ist es immer noch dunkel. Dieses EKZ liegt zum Teil in Brünn und zum Teil in Modřice (5.400 EW). Ein paar Starter sind schon da.
Ich frage mich zur Startnummernabholung durch und siehe da, meine Anmeldung ist durch den Rost gefallen! Das hätte sang- und klanglos funktionieren sollen, und jetzt wird es zum Diskutieren! Als der Veranstalter, Ing. Aleš Čtvrtníček, dazustösst, habe ich im Nu meine Startnummer, 82. Dass ich bereits bezahlt habe, das glaubt er mir.
Der Didi Pruckner und Robert Hinterhölzl haben im Auto übernachtet und noch ein Bekannter ist da: Miroslav Vostrý aus Kladno. Wir kennen uns längst.
Kaum wird wo in Tschechien ein Marathon veranstaltet, der Miroslav ist dabei!
101 Halbmarathonis werden heute finishen, und 72 von 84 angemeldeten Marathonis.
Der Startsprecher gibt Instruktionen. Was auf Tschechisch ewig lange dauert, ist auf Englisch in wenigen Worten erklärt. Aber was man wissen muss, war eh im Vorfeld nachzulesen.
Die Herren-AK sind weit gespannt: 18 – 45 Jahre, 46 – 65 Jahre und 66 Jahre und älter.
Ich komme wieder, wenn ich 66 bin.
Wir starten auf einer Inline-Skater-Bahn, extra fein asphaltiert. Schlagfeuer, wie man sie von Bühnenshows kennt, fauchen beiderseits der Startlinie in die Höhe. Wärmen tun sie auch. Uns Marathonis erwarten 5 Runden zu 8,3km, davor eine Startrunde auf dieser Inline-Skater-Bahn. Ich fühle mich erstaunlich frisch, sehr angenehm. Auch die Luft ist frisch, sehr frisch eigentlich, aber das wird sich noch ändern.
Nach der kurzen Startrunde geht es ab in die Landschaft. Es dauert nicht lange, da müssen wir über die Autobahn drüber und beim Anstieg spüre ich die Höhenmeter aus Altenburg im Gluteus Maximus, au weh! Bergauflaufen ist heute eher nicht drinnen.
Auf der Brücke sieht man, wie die dunkelorange Sonne am Horizont aufliegt.
Drüben geht es hinunter und mit jedem Schritt wird es kälter, kommt mir vor. Ich sehe rechts vor mir die Leute durch ein Gerstenfeld laufen, deren Unterkörper von Nebelschwaden und vom Getreide verdeckt. Sieht gut aus! Dann biege ich rechts in diese Straße ein, Ende vom guten Asphalt. Ein grobkörniger rauer Asphalt, dann wird es ein Schotterweg. Links, einem Bach entlang. Rechts der Straße ein Feld, links davon meterhoher Uferbewuchs, der wird die Sonne ein paar Stunden lang abschirmen.
Mein Schlauchtuch trage ich vorerst aber wegen der Temperatur und nicht als Sonnen-schutz! Labestelle und U-Turn nach 1,6km auf Schotter, 200m, dann biegen wir in eine „See“runde ein, Biotop Chrlice heißt der Teich. Ein Streckenposten überwacht diese Kreuzung und spart nicht mit Applaus.
Der Anblick als ich einbiege ist sensationell: Die tiefstehende Sonne spiegelt sich auf der Wasseroberfläche, dazwischen Nebelschwaden. Von diesem Motiv müsste man ein Poster machen! Gut, dass Didi es geknipst hat.
Aus dem Schotter wird für etwa 200m ein Trampelpfad, höchst uneben, auf jeden Schritt muss man achtgeben. Als ich mit der „See“umrundung fast fertig bin, das 5km-Schild.
Zurück auf der Schotterstraße, der Uferbewuchs nun auf der rechten Seite. Als ich wieder zum Asphalt komme, geht es nicht links Richtung Start/Ziel, sondern rechts
auf einen Wald zu. Den Verkehr auf dieser T-Kreuzung regelt eine junge Frau mit noch jüngerer Tochter. Linkerseits ein Wiesenstreifen mit Kirschbäumen, rechts Gerstenfeld. Ein paar Schritte rein in den Wald, U-Turn, Wasserstelle, noch 2km bis Ende der Runde, diese 2km auf Asphalt und wieder über die Autobahn drüber.
Nicht nur am Start sind Kameras, auf der Brücke ist auch eine, dieser Marathon wird Live übertragen!
Unten wurden junge Leute mit Warnwesten postiert, sie werden die ganze Zeit dort- bleiben. Denn wir sind in diesem Abschnitt auch auf einem internationalen Radweg. Jetzt am Rückweg zum Start laufen wir Richtung Wien (cz: Vídeň), für die Gegen-richtung ist „Krakov“ auf den Asphalt gepinselt. Dieser Radweg verläuft hier am Fluss Svratka (dt: Schwarza) entlang, einem Nebenfluss der Thaya. Nun bin ich wieder auf der Skater-Bahn, eine weite Linkskurve, leichtes Gefälle, Überquerung der Gleise der hiesigen Liliput-Bahn und nach gut 9km bin ich wieder bei Start/Ziel. Fast eine Stunde habe ich dafür gebraucht. Noch 4 Runden zu 8,3km, es ist kühl.
Zwei T-Kreuzungen und zwei 180°-Kehren pro Runde, das klingt nach ziemlich viel Gegenverkehr. Genauso ist es.
Da um diese Zeit kein Mensch außer uns unterwegs ist, von den drei am Ufer sitzenden Fischern einmal abgesehen, müssen wir Läufer uns selbst genügen. Überraschend viele junge Mädchen und Burschen laufen mit und erwartungsgemäß ältere Herren.
Und es wird viel Staub aufgewirbelt. In der zweiten Runde staubt es im Schotterbereich nur so. Als ich meine zweite Runde beende sind beinahe zwei Stunden vergangen und viele der Marathonis sitzen bereits entspannt im Zielgelände. In der dritten Runde staubt es auch nicht mehr. Auch nicht, als sich der Lenker eines Rettungsquad schön langsam fahrend davon überzeugt, dass eh alles in Ordnung ist. Einige Hunde sind nun mit Herrl bzw. Frauerl unterwegs, auffällig groß sind diese Hunde und friedlich sind sie auch.
Am Beginn der vierten Runde, nach etwa 26km, brauche ich einen ausführlichen Stopp an der Labestelle. 5cm Banane in Salz getunkt, 2 Viertel Orangen und einmal ordentlich was trinken. Mit einer frisch aufgefüllten Flasche nehme ich die letzten 2 Runden in Angriff. Karen von den Britischen Jungferninsel scheint nun genau mein Tempo zu laufen. Wir begegnen uns immer an denselben Stellen. „Karen, you’re looking great!“
Paarläufer Didi und Robert begegnen mir zum x-ten und bald zum letzten Mal. Die beiden kommen unter 4 Stunden ins Ziel und kriegen gar nicht mit, dass es hinten raus ganz schön warm geworden ist.
Als ich meine letzte Runde beginne sind 4 Stunden voll, unter 5 Stunden wird sich also nicht ausgehen, aber eine niedrige 5h0x soll es schon werden.
Wenig später, zum letzten Mal am Trampelpfad beim Biotop Chrlice, da hat sich bereits eine erste Sonnenanbeterin im orangen Bikini niedergelassen. So warm ist es nun.
Ich überhole sogar noch einen jungen Burschen der schon sehr leidet. Er ist sehr schnell gestartet und hat heute wieder etwas gelernt.
Brav verabschiede ich mich von den Streckenposten, die ich nun nicht mehr sehen werde und überquere zum zehnten Mal die Autobahn. Ich genieße die letzte Linkskurve mit leichtem Gefälle. Die Leuchtziffern im Ziel zeigen 5h03:3x. Faszinierend, wie schnell die Sekunden vergehen.
5h04:05 dann im Ziel bei 24°C. Okay, 1 Woche nach Altenburg war das mein drittbester Marathon heuer. Wenig später ist Karen im Ziel und bedankt sich bei mir für die Ermutigungen unterwegs. Es ist noch nicht einmal 10 Uhr, da hat man ja noch was vom Tag. Zum Beispiel heimfahren, schwimmen gehen oder zu einer Geburtstagsfeier dazustossen, oder alles zusammen.
Die Heimfahrt nach Linz (via St. Pölten) verläuft ereignisarm, sie dauert mit Pause keine 4 Stunden. Ein paar Minuten länger als nötig, denn für die 20 Kilometer CZ-Autobahn von Modřice bis Pohořelice (dt: Pohrlitz) leiste ich mir keine Autobahnmaut.
Key Facts
Startgeld CZK 1000,-
inkl. einer tönernen Finisher“medaille“ am blau-weiß-roten Bändchen
Kleiderbeutelabgabe
Versorgungsstellen mit Wasser, Iso, Cola, Rosinen Orangen, Bananen
Duschen, Ziellabe: Obst, Wasser, Gebäck, Iso, Cola
Jede Menge kostenloser Parkplatz
Nächster Sunrise-Marathon: 23. Juni 2024, Start erst um 04h49
Die schnellsten Herren:
1. Sebastien Lichti FRA 2 h 56 min 30 sec
2. Peter Stolárik SVK 3 h 05 min 13 sec
3. Jaromír Mucha CZE 3 h 07 min 55 sec
Die schnellsten Damen:
1. Lada Valášková CZE 3h 20min 11sec
2. Michaela Káčerová SVK 3h 53min 10sec
3. Kateřina Poláčková CZE 4h 05min 48sec
Fotos: © Herbert Orlinger
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