Vieles ist planbar… aber nicht alles. Eine akribische Vorbereitung hält den Stresslevel des Organisationsteams während einer Trailveranstaltung grundsätzlich niedrig…
Es sei denn, es bricht Stunden vor dem Rennstart eine Kaltfront herein, lässt mit starkem Regen die Bäche anschwellen und hüllt die Berge in Neuschnee. Dann können trotz der nasskalten Temperaturen so manche Organisatoren ins Schwitzen kommen. Nicht so das Team des Pitz Alpine Glacier Trail („PAGT2016“).
Der Talschluss des Pitztals bietet mit seinen hohen Bergen, den Gletschern, unzähligen wunderschönen Ausblicken, rassigenTrails und einer perfekten Infrastruktur in Mandarfen den idealen Ort für eine große Trailrunning-Veranstaltung.
Der PAGT wird von der Agentur Laufwerkstatt in Innsbruck, im Auftrag des Veranstalters Tourismusverband Pitztal durchgeführt. Die Veranstaltung vom 5.-7.8.2016 bot dabei für Jeden die passende Strecke:
P100 (heuer 90km | Höhenmeter: 5000m)
P85 (heuer 75km | Höhenmeter: 4200m)
P42 Glacier (42km | heuer Höhenmeter: 2450m)
P42 Rifflsee (42km | Höhenmeter 2450m)
P26 ( 26km | Höhenmeter: 1600m)
P15 ( 15km | Höhenmeter: 850m)
P Kids für die 3 bis 12 jährigen Nachwuchsläufer
Schwierige Entscheidung
Freitag Mittag – wenige Stunden vor dem geplanten Rennstart um 3:00 in der Früh - wurde vom OK die Lage gemeinsam mit der Bergrettung erkundet und umfassend beurteilt. Trotz Herzschmerz bei dem ein oder anderen Teammitglied wurde im OK einstimmig beschlossen die Strecken abzuändern, die Passagen über die Gletscher zu canceln und so die Sicherheit für LäuferInnen und Streckenposten sicherzustellen. Das Risiko bei Neuschnee Gletscherspalten nicht zu erkennen oder auf dem gefrorenen Schnee auf felsigem und abschüssigen Gelände schwer zu stürzen oder gar abzustürzen war eindeutig zu hoch. In der Folge wurden auch die Startzeiten etwas nach hinten verschoben.
Für die LäuferInnen bedeutete diese kurzfristige Änderung des PAGT zunächst Enttäuschung. Kein Sonnenaufgang auf der 3.070m hohen Mittagskogelscharte, kein rassiger Downhill über den Gletscher und auch keine landschaftlich so reizvolle Querung von der Kaunergrathütte zur Tiefentalalm. Die Community der Trailläufer verstand aber absolut die „Entscheidung der Vernunft“. Verunsicherung machte sich unter den Teilnehmern gleichzeitig überhaupt nicht breit. Das Organisationsteam informierte zeitnah, umfassend und im Detail alle Teilnehmer. Das Racebriefing wurde angepasst und sogar aktualisierte gpx-tracks wurden online zur Verfügung gestellt. Ins WLAN der Trailcity einloggen, Track downloaden, Uhr oder Navi synchronisieren… passt! Bereit für das große Abenteuer!
Das Rennen des P100 und P85
Um 5:00 wurden die beiden Langdistanzen gemeinsam gestartet . Die LäuferInnen stürmten hinaus in die Nacht. Und das hatte seinen Grund. Der erste Anstieg über 630hm erfolgt über einen engen, steilen Steig. Überholen praktisch unmöglich. Einmal hinten im Pulk „gefangen“ muss man unweigerlich das Tempo der Gruppe mitgehen. Auch wenn man sich stark fühlt und schneller laufen möchte. Das hat aber auch sein Gutes. Die Gefahr, die lange Strecke zu schnell zu beginnen und „blau“ zu laufen ist so gemindert.
Auf 2300hm erreicht man die erste Labestation „Sunna Alm“ mit Blick auf den Rifflsee. Der Tag bricht an und taucht die Trails in zartes blaues Licht. Stirnlampen werden ausgeknipst und wann immer es der Weg zulässt staunend die wunderschöne Berglandschaft betrachtet. Der Streckenabschnitt nach der Passage des Rifflsee verläuft durchgehend auf Singletrails, am Hang entlang über den Fuldaer Höhenweg in das Taschachtal hinein. Einmal ansteigend, einmal fallend, immer von Felsblöcken und Geröll durchsetzt aber trotzdem sehr gut laufbar. Spaßfaktor 100%! Auch wenn heuer abschnittsweise etwas Schnee lag und Nebel die (Aus)sicht einschränkte…
Die Labestation beim Taschachhaus auf 2432m stellt den Umkehrpunkt im Talschluss dar. Von da an geht’s zurück Richtung Mandarfen, zunächst über einen Singeltrail, dann eine Forststraße hinab. Gas geben, Meter machen. Zu diesem Zeitpunkt war das Teilnehmerfeld schon weit auseinandergezogen. Es bildeten sich kleine Gruppen von 3-5 Läufern. Dazwischen einsame Kämpfer. Trailrunning ist halt doch ein Individualsport.
Auf der zweiten Schleife
Noch vor dem Start der weiteren Rennen an diesem Tag erreichen die ersten Läufer des P100 und P85 wieder die Trailcity in Mandarfen. Die Möglichkeit zur Deponierung von Eigenverpflegung und Ausrüstung wurden vor dem Start genutzt. Dadurch kann man selbständig seine Verpflegungs- und Getränkevorräte auffüllen, bei Bedarf Kleidung oder Schuhe wechseln. Ein großer Vorteil einer Stecke die als Kleeblatt angelegt ist und mehrmals (bei der Originalrunde) Start und Ziel passiert.
Von Mandarfen gings dann kurz Talauswärts um bei Plangeross gleich wieder in einen steilen Singletrail, vorbei an einem tosenden Wasserfall des Lussbach, hinauf zur Kaunergrathütte einzubiegen. Laufen ist hier nur abschnittsweise möglich. Zu steil und technisch ist der Weg. Deshalb in ein Power-Hiking wechseln und Kräfte gut einteilen. Sowieso das ständige Bestreben eines Ultratrailläufers…
Immer wieder passiert man auf der gesamten Strecke Kontrollpunkte. Hier wird jede/r LäuferIn von freiwilligen Helfern und Bergrettern notiert. Nicht nur um ein mögliches Abkürzen durch Läufer zu verhindern, vor allem um somit die Teilnehmer auf den einzelnen Teilstrecken sicherheitstechnisch „im Blick zu behalten“. Falls einer beim Folgekontrollpunkt nicht vorbeikommt, sind die Einsatzkräfte der Bergrettung schon vorbereitet. Können im Fall gleich die Suche aufnehmen und Teilnehmer retten bzw. bei Problemen an der Strecke versorgen. Ein großes Lob für diese umsichtige Planung und die Sicherheit welchen den TeilnehmerInnen dadurch gegeben wird. Als Läufer fühlt man sich sehr gut umsorgt. Herzlichen Dank an dieser Stelle an die vielen Freiwilligen der Bergrettung und der Privatpersonen der Region!
Nach knapp 1.300hm wird die Kaunergrathütte erreicht. Auf den letzten 200hm durch den Schnee stapfend. Nur kurz verweilen die Läufer bei der Labestation, denn die Kälte ist an diesem Tag unangenehm sobald man sich nicht laufend fortbewegt. Deshalb stürzen sich die Teilnehmer gleich wieder in den langen Downhill. Hier heißt’s trotz technischem Trail Tempo machen. Die vielen gatschigen und nassen Passagen sind den Läufern mittlerweile schon egal. Die Schuhe sind sowieso dauernass.
Zu diesem Zeitpunkt gab es auf der P100 Strecke schon eine Vorentscheidung. Der Pole Piotr Hercog lief locker vorne weg. Kontrollierte den Abstand auf den engagiert laufenden Steirer Andreas Ropin scheinbar nach Belieben. Dahinter duellierte sich René Fahrengruber mit Andrin Kappenberger um Platz 3. Die vier Damen auf der P100 Distanz lagen hier noch relativ knapp beieinander.
Auf der P85 Strecke führte zu diesem Zeitpunkt Jürgen Nini vom UASC Attersee knapp vor dem für hdsports.at startenden Christian Mlinar. Beim downhill war Nini deutlich schneller, doch auf der weiteren Strecke das Pitztal hinunter konnte Mlinar die Lücke wieder schließen. Gemeinsam ging es zur Arzler Alm hinauf. Ca. 450hm die nicht zu unterschätzen sind. Auf dem anschließenden Weg hinüber zur Tiefentalalm setzte sich Christian Mlinar dann von Nini ab und sollte diesen Vorsprung in der Folge bis ins Ziel noch ausbauen. Ungefährdet lief er in 10:09:05 zum Gesamtsieg des P85.
Langer Weg ins Ziel
Nach ca. 60km gelangt man von der Tiefentalalm kommend wieder in den Talgrund des Pitztals und ab da geht es ständig leicht steigend auf einem Schotterweg zurück nach Mandarfen. Ein letzter Abschnitt der sich ewig ziehen kann wenn man davor schon „alle Körner verbrannt“ hat. Der Pole Piotr Hercog, sehr starker 10. beim UTMB 2015, hat sich seine Körner offenbar sehr gut eingeteilt. Er lief konstant nach Mandarfen zurück und locker über die letzte 15km Schleife, die noch einmal zum Rifflsee hinauf führte. Nach 11:57:12 beendete er als Erster das heuer auf 95km gekürzte P100. Dahinter wurde es noch einmal spannend. René Fahrengruber, angetrieben von der Furcht vom 4. auf dem letzten Anstieg und darauffolgenden downhill noch eingeholt zu werden (schließlich winkte ihm dieser beim letzten Anstieg von unten freudig zu…) erhöhte das Tempo und verursachte dadurch beim vor ihm laufenden Andreas Ropin noch einmal Stress. Nur ein Riegel einer hilfsbereiten Läuferin an der Strecke lieferte Andreas die notwendige Energie doch noch knapp vor René ins Ziel einlaufen zu können. Wie knapp am Limit die beiden Läufer da waren ließ sich vor allem an René erahnen, der nach dem Überqueren der Ziellinie kurz Kreislaufprobleme bekam. Wenige Stunden später unterhielt er die Runde der Läufer beim Abendessen aber schon wieder gut erholt mit seinen Gschichtln vom Rennen…
In 17:40:48 gewann die Deutsche Claudia Wehnert die Damenwertung vor ihrer Landsfrau Nadia Schüler und der Österreicherin Kathrin Sojer. Den P85 gewann Silke Wilhelm in 13:07:34 und großem Respektabstand vor Berenice May. Sie Beide waren auch die einzigen weiblichen Finisherinnen auf dieser Strecke.
Resümee aus Sicht eines Teilnehmers
- Umsichtig geplantes, mit Liebe zum Detail abgewickeltes Trailrennen in einer atemberaubenden Gegend in hoher Lage (bis knapp über 3.000hm!).
- Die Teilnehmer werden gut informiert, auch wenn sich der Ablauf wie heuer kurz davor noch ändert. Die Freiwilligen und das OK-Team sind sehr bemüht, alle Probleme und Unklarheiten der TeilnehmerInnen zu lösen.
- Hotels, Appartements und Parkplätze für Camper stehen direkt vor Ort ausreichend zur Verfügung. Duschmöglichkeiten (und Wellnessbereich) können von Allen in zwei Hotels direkt beim Start-/Zielgelände genutzt werden.
- Die Markierung der Strecke ist absolut vorbildlich und gemeinsam mit dem zur Verfügung gestellten GPX-Track ist ein Verlaufen de facto fast ausgeschlossen.
- Umsichtige, lückenlose Kontrolle und Betreuung durch die Bergrettung. Einzig der Umstand dass im Zielbereich keine Sanitätsbereich, keine Rettung und kein Arzt anwesend waren sollte ab 2017 geändert werden; auch wenn damit bei Bedarf „nur“ Infusionen für völlig erschöpfte TeilnehmerInnen verabreicht werden können…
- Die Verpflegungsstellen sind gleichmäßig über die Strecke verteilt, hinsichtlich der gastfreundlichen BetreuerInnen top, hinsichtlich der Ausstattung ist jedoch noch Luft nach oben vorhanden. Durch die Möglichkeit des Depots bei Start und Ziel ist eine Selbstverpflegung aber auch ohne Betreuer/Freunde gut machbar.
- Die Siegerehrung (für P85 und P100 um 11:00 am Folgetag) ist stimmig und sehr würdig gestaltet. Neben individuellen Trophäen gibt es schöne Sachpreise für die jeweils drei gesamt Erstplatzierten. Über eine getrennte Wertung/Ehrung von Allgemeiner Klasse und Masters Klasse würden sich die TeilnehmerInnen jedenfalls freuen…
…aber spätestens bei der Weißwurstparty im Rahmen der Siegerehrung findet die Veranstaltung für Alle ein Happy End.
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