"Fliegender Holländer" Wiersma überrascht die Konkurrenz mit Ansage.
Bei den Frauen siegt Gerda Steyn in Rekordzeit und schreibt Geschichte.
Der 26-jährige Niederländer Piet Wiersma vom Nedbank Running Club (knapp geschlagener Vorjahreszweiter beim Down-Run) vermochte in diesem Jahr seine Ansprüche umzusetzen und überraschte seine überwiegend südafrikanische Konkurrenz im letzten Drittel des diesjährigen Up-Runs von Durban nach Pietermaritzburg über 85,91 km.
Nach seinen Erfahrungen vom Vorjahr wusste Wiersma, wie er vorzugehen hatte. Er hatte sich geschworen, in diesem Jahr stärker zurückzukommen (O-Ton: "I promise to run the best race of my life".). Das Rennen erforderte eine kluge und moderate Planung, die er durch vermehrte Kenntnis über die Strecke und sein Training steuerte. Alles in allem hatte er aus 2023 vieles gelernt, verwandelte seine Schwächen aus 2023 (Bergaufläufe) in neue Stärken beim Up-Run.
Spezielle Vorbereitung in der Höhe
Dazu verbrachte er einen längeren Aufenthalt in Kenia: "Ich denke, das Training, dass ich in Kenia durchgeführt habe, hat mir sehr geholfen..., ich habe sechs Wochen lang in der Höhe trainiert. Vor dem Rennen wusste ich, dass ich stark genug war, da das Training recht gut verlief. Das Training in größerer Höhe hat mir geholfen, mich auf die Anstiege vorzubereiten".
Das Rennen in Abschnitten
Zu Beginn des ersten UP-Runs seit 2019 stand Piet Wiersma immer an der Spitze des Feldes und beobachtete das Renngeschehen, während die beiden Nedbank-Läufer Tete Dijana (Vorjahressieger beim Down-Run) und der Kapitän Edward Mothibi am Ende des Feldes liefen. Es war eine langsame erste Hälfte, als das Hauptfeld die Halbzeit in 2:49 Std. passierte. Zu dieser Zeit lag der Russe Beresnev (Marathonbestzeit 2:20:02 Std./2022) mit mehr als 4 Minuten vor den Verfolgern in Führung, die er im weiteren Verlauf noch bis auf 9 Minuten ausdehnte sollte.
Nach der Halbzeit erhöhte sich das Tempo von 3:58 min/km auf 3:37 mine/km, vor allem durch etliche Vorstöße von Piet Wiersma, der später sagte, "das Rennen war am Start sehr langsam, aber das Tempo wurde zur Hälfte der Strecke höher". Am höchsten Punkt der Strecke (km 67,2 mit 829 m Höhe) hatte sich eine Vierer-Gruppe mit Wiersma, Lafebo, Dijana und Matshailwe abgesetzt, nachdem sie zuvor den erschöpften Russen Beresnev abgehängt hatten. Schon zuvor gab es bei Dijana ein kleines Drama, als er eine Pause einlegte und seine Beine umklammerte. Nach einem kurzen Moment schloss er sich jedoch wieder der Spitzengruppe an. "Ich fühlte mich nicht gut, es war eine Kombination aus Beinkrämpfen und Schwindelgefühl", sagte er zur Erklärung.
An den Anstiegen testete Wiersma die Gruppe, als er die Hügel hinaufstürmte und sich das Feld langsam verkleinerte. Danach gab es häufig einen "Ding-Dong-Kampf", dem nur Wiersma, Matshailwe, Lafebo und Manyedi gewachsen waren, während Dijana ein weiteres Mal stehen blieb und seine Beine umklammerte. Das letzte Renn-Manöver sicherte sich Wiersma bei km 79,1 mit einer Minute Vorsprung. Der Russe und Dijana verloren hier gewaltig an Boden. Matshailwe war nun Zweiter und kämpfte verbissen um Anschluss. Lafebo hielt seine Position, Manyedi als Sieger in der M-40 festigte sein bestes Comrades-Ergebnis. Von hinten (Rang 12) stürmte der Brite Davies noch heran und wurde beim Comrades-Debüt Fünfter. Bongmusa Mthembu (Up-Run Sieger 2019) ließ als Sechster nochmals alte Stärke erkennen.
Der Zweitplatzierte Matshailwe, der bereits in 2022 Dritter wurde, bestimmte lange das Rennen mit. Auch mit seinem 2. Rang beim Two-Oceans in 2023 hatte er seine aufsteigende Klasse nachhaltig bewiesen. Sein diesjähriges Ergebnis ist ein erneuter Beweis dafür, dass er ein zukünftiger Comrades-Champion sein könnte, was auch seine PB`s über die "kürzeren" Distanzen zeigen: Marathon 2:14:06 Stunden (2021) und 50 km 2:43:45 Stunden (ebenfalls im gleichen Jahr). Er blieb auch diesmal bescheiden und erklärte: "Wir hatten uns sehr gut vorbereitet, aber Piet war dieses Mal einfach unantastbar, er hat den Sieg verdient.". Nichtsdestotrotz genoss er seinen Einlauf wie ein Sieger, als er im Ziel einen lockeren Tanz vollführte und danach auf dem Boden liegend die Aufmerksamkeit aller Zuschauer über sich hinweggleiten ließ.
Streckenrekord knapp verpasst
Das Ziel erreichte der Niederländer in exakt 5:25:00 Stunden., doch den Streckenrekord hatte er um 11 Sekunden verfehlt. "Ich wusste, dass ich in der Form meines Lebens war, also bedeutet mir der Sieg sehr viel", sagte Wiersma nach dem Zieleinlauf. "Es tut ein wenig weh, den Streckenrekord knapp zu verpassen, aber auf den letzten 7 km hatte ich wirklich Krämpfe, und es machte mir Sorgen, dass die Krämpfe mein Rennen beenden könnten, wenn ich etwas mehr Druck mache. Der Sieg für mich wichtiger war als der Streckenrekord." (Anmerkung: Bereits beim 100-km-Weltrekord von Sorokin 2023 musste Wiersma wegen Krämpfen das Rennen aufgeben).
Nach seinem Sieg war er - trotz des verpassten Rekordes - begeistert und versprach, "das Scheitern macht mich hungrig, in den nächsten Jahren dafür zurückzukommen. Also verspreche ich, in Zukunft zum Streckenrekord zu kommen". Und er fügte an, "es bedeutet alles - es fühlt sich an wie eine Kombination aus allem, was ich je getan habe." Und sogleich äußerte er Zukunftspläne. Neben einem längeren Aufenthalt in Kenia als Vollzeitläufer, möchte er ebenso andere Laufgelegenheiten wahrnehmen. "Ich möchte auch sehen, wie sehr ich mich im Standard-Marathon verbessern kann, wenn ich im Dezember in Valencia laufe."
Doch nicht nur der Sieger überzeugte, sondern auch die Stärke seiner Team-Kameraden auf den nachfolgenden Rängen bleibt imposant: Dan Matshailwe als starker Zweiter, der Neuling Degefa Lafebo (Äthiopien) auf Platz 3 und der M-40 Sieger Joseph Manyedi auf der 4. Position zeigten eine klare Überlegenheit par excellence.
Nedbank-Manager Nick Bester hielt es so fest: "aber die Jungs sind ein intelligentes Rennen gelaufen und haben sich nicht von den anderen diktieren lassen, wie sie es laufen, und die ersten 4 Männer in unserem Team haben das gezeigt."
Nicht vergessen sollte man auch den 1. Rang in der Mastersklasse von Wayne Spies (Australien/Nedbank), der nun Streckenrekordhalter auf beiden Distanzen (Down- und Up-Run) ist. Er hatte dieses Vorhaben vorhergesagt und blieb mit seiner Zeit von 5:59:11 Stundne mehr als 17 Minuten vor dem ehemaligen Rekordhalter Kharitonov (Russland).
82-jähriger Finisher
Der Schweizer Ultraläufer Peter Camenzind (früherer Swiss-Alpine Sieger und Streckenrekordler) beendete das Rennen als Einziger in der Klasse M-70+ in 9:12:22 Stunden. Ältester Teilnehmer mit 82 Jahren war Maron Mosehla (Südafrika) mit 10:13:46 Stunden, Respekt !
Starter insgesamt: 18.884, im Ziel 17.313 Aktive innerhalb der Sollzeit von 12 Stunden. Die Streckenlänge war 1971 mit 91 km die längste und diesmal die kürzeste (85,91 km) von bisher 97 Rennen. Somit erreichten in 2024 immerhin 93 % der Teilnehmer die Zielzeit (12 Stunden).
Das Rennen der Frauen
In diesem Rennen brach die südafrikanische Straßenlauf-Ikone Gerda Steyn ihren eigenen Up-Run Rekord von 5:58:53 Stunden (den sie 2019 aufgestellt hatte), als sie mit überragendem Vorsprung den neuen Rekord auf 5:49:46 Stunden herunterschraubte. Damit wurde Steyn die erste Frau, die seit 11 Jahren das Rennen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gewann, dieses Vorhaben hatte sie bereits angekündigt ("ich bin in der Form, die ich haben wollte").
Zweite wurde Alexandra Morozova (Russland) in 6:05:12 Stunden, die bereits 2022 Comrades-Siegerin war, vor der am Schluss stark aufkommenden Courtney Olsen (USA) mit 6:08:09 Stunden. Die Amerikanerin hat eine PB über 100 km mit 7:15:29 Stunden (4. bei der WM 2022 in Berlin) und war dort Team-Weltmeisterin.
Gerda Steyn ging früh in Führung und baute ihren Vorsprung stufenweise aus. Zuerst bildete sie eine Gruppe mit Molinaro und Loveness Madziva (Zimbabwe), der Siegerin des 50km-Laufes von 2/2024, die bis km 35 mit Steyn zusammenblieb, aber dafür später einen hohen Preis zahlte. Ab km 30 erhöhte Steyn ihr Tempo um 4 Sekunden pro Kilometer, ihr Vorsprung wuchs an. Nach 4:45 Stunden Laufzeit hatte sie sich weiter vorgearbeitet und ihr Rekordlauf wurde immer sicherer.
In der zweiten Rennhälfte gab es im Restfeld der Frauen viel Bewegung. Morozova (Russland) kam zwischen 67 und 79 km stark nach vorn, sie steigerte ihr Tempo um 10 Sekundne pro km und überholte Molinaro und die Debütantin Tshuma (Zimbabwe/Ehefrau des Zehntplatzierten Mudziganyama), und sprang vom 4. Rang auf den 2. vor, den sie halten konnte. Dahinter startete Olsen (USA) ein heftiges Manöver, die sich während des Rennens planmäßig nach vorn arbeitete. Ihr unglaubliches Debüt bestätigte ihre Leistungen über 100 km (siehe oben /2022).
Einsame Klasse
Gerda Steyn war jedoch nie gefährdet und stellte den neuen Rekord mit mehr als 15 Minuten Vorsprung (!) vor Morozova auf, was diese später so kommentierte: "Gerda kommt einfach von einem anderen Planeten". Für Steyn war es letztlich nur ein Rennen zwischen ihr selbst und der Uhr. Sie war unermüdlich, hoch konzentriert und dennoch locker, um weitere Lauf-Geschichte zu schreiben.
Auszüge aus ihrem Rennplan machen dies deutlich: 10 km 41:20 Minuten (geplant 41:22), 40 km 2:43 Stunden (geplant 2:46), 50 km 3:25 Stunden (geplant 3:26), 70 km 4:44 Stunden (geplant 4:45). Ihre langsamste km-Zeit war bei 30 km (4:20), die schnellsten Zeiten zwischen 60 bis 70 km mit 3:53 und 3:55 min.
Ihre Saison 2024 war bisher großartig und denkwürdig mit Siegen beim Two Oceans Marathon (den sie zum 5. Mal und neuem Streckenrekord gewann), beim Dam- race, Vaal-Marathon und jetzt beim Comrades Marathon. Im Moment geht ihr Blick auf den bevorstehenden Olympia-Marathon in Paris im August des Jahres.
Die Siegerin bedankte sich auf ihre Weise, "es war der beste Tag meines Lebens - einfach ein Segen, hier zu sein, ich möchte allen danken, die mir geholfen haben, hierher zu kommen, und allen, die mich auf meinem Weg unterstützt haben". Der CMA-Vorstandvorsitzende Ngcobo hob noch hervor, "Gerda Steyn hatte ein großartiges Rennen, und wir haben uns gefreut, sie mit Geldpreisen zu belohnen.", das höchste Preisgeld aller Comrades-Rennen bisher !
Fotos: Nedbank, CMA, Tobias Ginsberg
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