Ende Juli ist mit Hitze zu rechnen und jeder der eine gute persönliche Marathonzeit will, wird sie hier ganz gewiss nicht erreichen, obwohl die Strecke ziemlich flach ist. Man sollte schon etwas abgebrüht sein, um bei an die 30°C die klassischen 42,2km in Angriff zu nehmen. Start ist alljährlich um 15h30, eigentlich.
Denn um diese Uhrzeit startete einst der legendäre Olympia-Marathon in Helsinki 1952, den Emil Zátopek gewann. Das, nachdem er wenige Tage zuvor bereits Gold über 10.000m und 5.000m geholt hatte.
Wir waren schon ein paar Mal in Prag (1,34 mio EW), Tschechiens schöner Hauptstadt, wir verzichten daher heuer auf einen längeren Aufenthalt.
Ausgemacht ist, dass die beiden Günt(h)ers und ich morgens nach Prag fahren, abends, nach dem Marathon, wieder zurück. Das ist nicht extra erholsam, von Linz oder Steyr aus aber durchaus machbar, wenn man will. Gleich sechs Leute holen mich am Dienstag ab.
Monika, Sieglinde, Christa und Roman wollen Prag unsicher machen, während wir drei im Stadtpark unsere Runden drehen.
Schon vor 12 Uhr sind wir auf dem Prager Messegelände. Wir sind schon ein bisschen ortskundig, das hilft. Noch sieht es nicht sehr nach Marathon aus. Wer glaubt, beim Marathon mit fünf Stunden nicht auszukommen, darf schon um 13 Uhr starten. Das steht so auf Tschechisch auf der o. e. homepage.
Bei der Startnummernabholung treffe ich auf einige gute Bekannte: Michal Rezek, der Konzertpianist, mit dem ich vorigen Juni von Stříbro nach Pilsen gelaufen bin. 22km lang gab es bei Sommerhitze keine Labestelle, sodass wir gezwungen waren, ein Gasthaus aufzusuchen. Miroslav Vostrý aus Kladno, den ich zuletzt vor einer Woche in Budweis getroffen habe, Miroslav Krumer aus Ostrava, ein alter Bekannter, der sich nach einem Marathon gerne zum Bahnhof chauffieren lässt.
Bei Start/Ziel hat man das 12-eckige Maroldovo Panorama neben sich, es beherbergt Tschechiens größtes Gemälde, 11m x 95m. Das Rundum-Bild wurde 1898 fertiggestellt und zeigt die Schlacht bei Lipany, welche 1434 stattgefunden hat.
Michal Rezek ist es der uns übersetzt, dass sich der Start um 30min verzögern würde. Zeit, den Schatten aufzusuchen. Letztlich wird eine Stunde daraus, um 14h gibt Vlastimil dann das Startzeichen für die 21 Marathon-Frühstarter.
Wir traben los, keiner hetzt los wie verrückt. Irgendwie fehlt mir die Kraft in den Muskeln, dabei hatte ich mich die letzten Tage geschont. Günter Schlöglhofer und Günther Aigner sind um mich. Unter einigen Bäumen am Messegelände lag vor 2 Stunden noch allerlei Geäst am Boden, das ist nun beseitigt. Etwas mehr als 1km, dann sind wir wieder bei Start und Ziel und es geht rein in den Stadtpark. Schatten und leichtes Gefälle zu Beginn, das tut gut. Den Schatten spenden vorzugsweise Platanen, Linden, Eichen und Trauerweiden.
Dienstag nachmittags, viele Spaziergeher mit Kindern halten sich im Park auf, aber auch junge Betreuer mit einer Schar Kindergartenkindern im Gefolge. Und natürlich immer wieder Pärchen. Wir zweigen rechts ab, unter der Eisenbahn durch bis fast zur Moldau, da nach links bis zu einem Teich namens Kleiner Fluss (= Malá říčka). Am dessen Ufer vis-à-vis befindet sich ein kleines Leichtathletikstadion, hier findet heute ein Sportfest statt. Weiter dem Malá říčka entlang, links und abermals unter der Eisenbahn durch, km3.
Viel Schatten hier, leichter Anstieg auf Pflastersteinen und links ein Wasserhahn. Diese Wasserstelle ist wohl für die Hunde gedacht, aber auch ich werde mich da später bedienen. Drei weite Kurven, einen kleinen Damm rauf und geradeaus. An der Spitzkehre eine Labestelle mit nur Wasser, Gegenverkehrsbereich, Linkskurve, vorbei an Teichen mit Wasserfontäne und Stegen, rechts schöne Blumenbeete, dahinter Šlechta's Restaurant. Hier sieht es schlecht aus mit Schatten. Geradeaus weiter, ein Linksknick und dann geht es im Schatten wellig aber fast schnurgerade zur Zeitnehmung.
33‘43“ dauern meine ersten 5,275km. Bei im Schnitt 37‘30“/Runde ist man nach genau fünf Stunden im Ziel.
Zu Beginn der zweiten Runde kehrt von irgendwo her die Kraft in meine Beine zurück. Sie werden mich ins Ziel bringen, da bin ich mir jetzt sicher.
Der Park wird von Gassigehern und Sportlern unterschiedlichster Disziplinen genutzt, oder aber auch nur zum Flanieren. Inline-Skater, Radfahrer, Läufer, drei Fiaker und siehe da: 2 junge Reiterinnen. Über der linken Brust haben sie einen gelben Schriftzug. Der ist zu klein, kann ich nicht lesen.
Als ich an ihnen vorbei bin drehe ich mich um: POLICIE steht groß auf deren Rücken, in Gelb. Zwei km weiter begegnen mir diese beiden Polizistinnen wieder: POLICIE, steht auch auf ihren Helmen.
Auch wenn sich die Starter schnell auf der Strecke verteilen, es ist immer was los. Kleinkinder auf pedallosen Rädern auf die man achten muss, Babygeschrei aus einem Kinderwagen und Leute jeden Alters, die den Tag genießen. Hunde tollen umher. Ein Bursche verkauft Eis aus einer mobilen Eisbox. Es ist sehr friedlich hier. Nach gut einer Stunde sehe ich schwarze Wolken am Himmel, die sind aber bald wieder weg. Es weht ein angenehmes Lüftlein. Ich habe es hier schon heißer erlebt.
Thomas Godlewsky aus Saarbrücken wird langsamer. Wenn er so weiter macht, habe ich ihn bei Halbdistanz. Der ist unlängst einen Nachtmarathon in Stettin gelaufen, erzählte er mir vor dem Start. Ich werde auch langsamer, aber nicht so stark. Franz Schwengler, das ist Mr. Planet-Marathon.de aus Nürnberg, will unter 6 Stunden reinkommen. Auf den treffe ich auch immer wieder einmal, zuletzt in Berlin 2018.
Nach 1km der dritten Runde, es ist jetzt etwa 15h15 läuft nach Start/Ziel plötzlich Thomas Plessnitzer neben mir und will wissen:
„Was läufst du da?“ „Marathon!“ „Aber der Start ist erst um 15h30!“
Womit er grundsätzlich recht hat. Dass es die Möglichkeit eines Frühstarts gab, ist ihm neu. Da er aber keine 4 Stunden brauchen wird, hat er so etwas gar nicht nötig.
Jarmila Kratochvílová (70), seit 1983 Weltrekordlerin über 800m, schickt um 15h30 das restliche Starterfeld auf den Kurs. Weitere 43 Marathonis und 83 LäuferInnen auf Halbmarathon. Mit denen bekomme ich es während meiner 4. Runde zu tun, als die schnellsten davon nach und nach an mir vorbei hetzen. Daniel NOAH wird den Halb-marathon in 1h16’50” gewinnen, Jaroslav KŘENEK den Marathon in 2h56’08”
Miroslav Vostrý ist ein Fuchs. Er fragt eine Parkbesucherin ob sie ein Handy habe: „Mobil?“, die verneint. Er fragt den nächsten. Der hat. Miroslav lässt sich von ihm mit dessen Smartphone knipsen und diktiert ihm sogleich seine eigene e-mail-Adresse ins Gerät, damit er ihm sofort dieses Foto schicken kann. Das überwacht der Miroslav auch. Zufrieden trabt er dann weiter.
37‘42“ für die 4. Runde. Ich leere mir Wasser über den Kopf. Kurz nach km22 begegnen mir die Günt(h)ers: „Dranbleiben Burschen!“ „Glaubst du“, meint Günther.
Spürbar weniger sind die Teilnehmer geworden. Die schnellsten Halbmarathon-Läufer sind bereits im Ziel, einige Marathonis haben abgebrochen.
Ich überhole Thomas Godlewsky. „Den Rest gehe ich!“, sagt er.
Nur einmal steigt mir atemberaubender Rauch vom Grillen in die Nase, bei der nächsten Runde schon nicht mehr. Die Schatten werden länger. Zu uns Rennläufern gesellen sich Freizeitsportler um ihr abendliches Lauftraining zu absolvieren.
Am Beginn der siebten Runde (d.h. km32) ist schon nur mehr Wasser verfügbar, Coca-Cola ist aus und Obst oder Kekse hat es von Haus aus nicht viel gegeben.
Die Versorgung ist heute sehr bescheiden, das konnte Ing. Vlastimil Šroubek, einst selbst sehr erfolgreicher Langstreckenläufer, früher viel besser.
Da gab es belegte Brote und Rosinen, Äpfel, Salz und Cola bis zum Ende. Er hat mir sogar einmal volle Cola-Flaschen mit auf den Heimweg gegeben. Wer hier läuft, sollte selber für seine Verpflegung sorgen. Immerhin stehen dafür eigene Tische parat. Frank THOMAS aus Wurzen hat gleich seine ganze Sporttasche draufgestellt.
Da mir das nicht ganz unbekannt ist, habe ich vorgesorgt, indem ich hinter das rechte Vorderrad unseres 9-sitzigen Ford Transit eine Flasche mit Kofola-Wasser Mischung deponiert habe. Auf die greife ich nun zu.
Ein schwarzes Eichhörnchen quert von links nach rechts meinen Weg und huscht einen Baumstamm hinauf. Am Ende meiner 7. Runde sind unsere vier Pragtouristen vom Sightseeing zurück. Auffällig wenige Touristen in der Altstadt, sagen sie. Wie ich sehe, schreibt Günther Aigner im Halbmarathon-Klassement an. Ich sehe auch, dass sub 5 Std für mich möglich sind, nur müsste ich dafür wieder etwas zulegen. Was ich auch tue. Ich laufe die 8. Runde um 2,5min schneller als die 7. und bin, juhu, nach 4h59‘31“ im Ziel.
Sofort bückt sich ein junger Mann und demontiert den Chip von meinem linken Knöchel, ein Mädchen hängt mir die Medaille um. Die Medaille war hier früher ein riesengroßes Rechteck aus Messing, 12cm x 8cm mit Emil Zátopek drauf, heute ist sie klein und rund.
Monika Schlöglhofer erwartet mich knipsend. Ich rechne mit Günter in etwa 40min, der kommt aber deutlich früher, sodass nun ich es bin, der seinen Zieleinlauf knipst. Monika versorgt uns dankenswerter Weise mit Pizzaschnitten. Das nenne ich Erste Hilfe!
Parkgebühr fällt heuer keine an, als Marathonstarter erhalten wir die Ausfahrtkarte gratis!
Um 20h fahren wir los, vorbei am prachtvollen tschechischen Nationalmuseum am Wenzelsplatz. Erst ab Budweis ist es finster und noch vor 23h sind wir sieben wieder in Linz.
54 Marathonfinisher (16 davon Frühstarter) + 83 Halbmarathonis
204 Starter insgesamt über alle Bewerbe
Startgeld 30,- EURO, dafür gab es:
eine recht wellige Strecke, meist unter Bäumen, 8x zu durchlaufen; ein weißes Funktionsleiberl
2 Labestellen / Runde: 1x nur Wasser, 1x Coca-Cola, Melone, Wasser
keine Ziellabe, Taschen-Aufbewahrung
Abgesehen vom Marathon fanden Halb-M, 10km, Kinderrennen und Staffelbewerbe statt.
Text & Fotos: Herbert Orlinger
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